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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht besser gewusst.
    Die Glasscholle hing niedrig über den geschmolzenen Dächern, mehrere Kilometer entfernt, und das schattenhafte Wallen rund um ihre Ränder konnte nur eines bedeuten: Schwärme von Dschinnen, die sich dort zusammenzogen, auf- und wieder abstiegen und sich auf etwas vorbereiteten.
    »Sie verladen etwas.« Nachtgesicht trat neben die beiden Frauen in die offene Rückseite des Gebäudes.
    »Was?«, fragte Sabatea.
    »Kriegsgerät«, vermutete Ifranji. »Belagerungsmaschinen. Käfige voll mit Schwarmschrecken oder anderen Drecksbiestern.«
    »Den Dritten Wunsch«, flüsterte Nachtgesicht.
    Sabatea sah ihn mit einem Ruck von der Seite an. »Wie verlädt man einen Wunsch?«
    »Das erfahren wir nicht, indem wir hier rumstehen und von weitem zusehen«, sagte Ifranji, zog ihren Dolch und begann, die Klinge mit einem Stein zu schärfen.
    »Willst du damit gegen die Dschinne kämpfen?«
    »Willst du sie mit deinem Blut vergiften?«
    Bevor sich die Fronten zwischen ihnen abermals verhärten konnten, ging Nachtgesicht dazwischen. »Erzähl uns von Tarik. Was ist passiert?«
    Sie versuchte, sich weit genug zu entspannen, um die Ereignisse in Worte zu fassen. Ihr fehlte noch immer jede Distanz dazu, und sie abermals vor ihrem inneren Auge heraufzubeschwören, machte es nur noch schlimmer. Sie begann zweimal, brach ab, versuchte es erneut. Es half, dass Ifranji mit dem Messerschleifen aufhörte und sie mit aufrichtiger Sorge ansah, auch wenn nicht klar war, ob sie Tarik, Sabatea oder gar beiden galt.
    Sie hörte selbst kaum, was sie sagte, und wusste gleich, nachdem sie geendet hatte, schon nicht mehr, wie viele Einzelheiten sie ihnen erzählt hatte. Es gab zu viele Fragen, zu viele Rätsel, und obwohl sie zu wissen glaubte, was geschehen war, konnte sie es doch noch immer nicht gänzlich begreifen. Sie hatte Tarik mehr als einmal aufgefordert, Almarik umzubringen, und beinahe hätte sie selbst es getan. Aber wie groß der Unterschied war zwischen einem Plan und dessen kaltblütiger Ausführung, das begriff sie erst jetzt. Vielleicht, weil sie jahrelang in ihrem goldenen Käfig in Samarkand die kühnsten Pläne ausgeheckt, aber nur die allerwenigsten verwirklicht hatte. Das brachte ein Leben in Gefangenschaft mit sich, und sie erkannte, dass sie innerlich nach wie vor eine Gefangene war. Die Wunden waren nicht verheilt, nur notdürftig übertüncht, und sie schmerzten noch immer.
    Ifranji beugte sich vor und nahm sie in den Arm.
    Sabatea versteifte sich für einen Augenblick, dann gab sie nach. Dass sie weinte, um Tarik, um sich selbst, um diese ganze lächerliche Welt, die dort draußen gerade vor die Hunde ging, bemerkte sie erst nach einigen Sekunden.
    Nachtgesicht entfernte sich stillschweigend und ließ die beiden allein. Bald darauf aber stieß er einen aufgebrachten Schrei aus. Sabatea löste sich von Ifranji, zuckte erschrocken zurück. Ihre Tränen trockneten schon, als sie herumwirbelte.
    »Khalis!«, rief Nachtgesicht aus der Tür zum Innenhof. »Er ist fort!«
    »Fort?«, rief Ifranji.
    Sabatea stürmte bereits auf ihn zu.
    Nachtgesicht deutete wild gestikulierend in die Ecke des Raumes, dann durch die klaffende Öffnung hinaus auf die Stadt. »Er hat den Teppich mitgenommen. Und seine Tochter.«

 
Amaryllis
     
     
    Tarik folgte seinem Spiegelbild durch die gläsernen Gassen Skarabapurs. Er sah es über die Wände huschen, verdreht, verbogen, verzerrt zu etwas anderem, das nicht mehr er selbst war. Auf den zerlaufenen Oberflächen streckte und dehnte sich diese andere Gestalt, und sosehr er sich auch bemühte, schneller zu sein als sie, er konnte sie nicht abschütteln. Wohin er sich auch wandte: Überall wartete schon dieses groteske Zerrbild seiner selbst auf ihn. Es grinste abscheulich und lachte ihn aus.
    Almariks Blut klebte überall an seinen Kleidern, auf seiner Haut. Er stank nach Tod und rohem Fleisch. Dennoch hatte das Elfenbeinpferd nicht gescheut, als er mit seiner Trophäe zurückgekehrt war – mit dem Beweis, dass er seinen Teil ihrer Abmachung erfüllt hatte. Es hatte zugelassen, dass Tarik auf seinen Rücken stieg. Dann hatte es ihn durch den Nebelhimmel nach Skarabapur getragen. Am Rand der gläsernen Stadt hatte es ihn absitzen lassen und war davongeflogen.
    Nun musste er den Rest des Weges allein gehen.
    Nur dass er nicht mehr allein war. Der Narbennarr hatte sein Versteck verlassen und färbte Tariks Denken mit seinem Hass und seiner Bosheit. Sie wohnten nun beide im selben

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