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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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mehr, keine Spitzen, keine rechten Winkel; alle harten Kanten waren zu Rundungen zerflossen. Als hätte jemand die Gebäude Skarabapurs aus Eis errichtet, das für kurze Zeit angetaut war, um dann abermals zu erstarren.
    Der grünliche Schimmer, den sie bereits aus der Ebene jenseits des Untersands kannten, lag auch über den geschmolzenen Glasbauten Skarabapurs. Als würde das Tageslicht von den kristallenen Oberflächen aufgesaugt und verfärbt wieder abgegeben. Das schimmernde Grün, verbunden mit dem Flimmern der Wüstenhitze, verlieh der Stadt eine magische Unterwasserstimmung, als bewegten sie sich über den Grund eines Sees, in dem Skarabapur versunken war.
    Die Glasschmelze der Gebäude verhinderte jede Zuordnung zu einer bestimmten Kultur. Manche Dächer ähnelten denen von Zwiebeltürmen, aber das mochte ebenso gut an den verlaufenen Rundungen liegen. Andere Bauten waren zu Kuppeln geworden, wo vielleicht einst ein eckiger Klotz gestanden hatte. Weil die Schmelze ihre Spuren nicht gleichmäßig hinterlassen hatte, waren einige Gebäude noch begehbar und sahen annähernd aus wie Häuser. Andere hatten sich blasig verformt, waren eingesunken und ähnelten gläsernen Höckern.
    Was immer diese Stadt einst gewesen war, heute besaß sie weder orientalischen noch abendländischen Charakter. Sie mochte aus vollkommen anderen Regionen stammen, oder aber die Wilde Magie hatte dafür gesorgt, dass jedes ihrer Merkmale zu einer anonymen, gleichförmigen Masse zerronnen war. Vielleicht war es ja gerade das, was Skarabapur zu einem konturlosen Spiegel aller Träume und Wünsche jener machte, die es entdeckt und betreten hatten.
    Nirgends waren Lebewesen zu sehen. Keine Menschen, keine Dschinne, keine Kreaturen der Wilden Magie. Nicht einmal Käfer am Boden.
    Sie folgten Nachtgesicht widerstrebend in die äußeren Viertel. Sabatea behielt Khalis im Auge, der so schweigsam war, als hätte er gar nicht bemerkt, dass sie ihm den Knebel abgenommen hatte. Seine Stirn war düster zerfurcht, sein Blick huschte unstet umher. Sie hätte gern geglaubt, dass es Nervosität war und dass dieser Ort sogar einen Magier wie ihn zutiefst verunsicherte. Doch sie ahnte, dass mehr dahintersteckte. Khalis schmiedete Pläne und prägte sich so viel von der Umgebung ein wie möglich.
    Immer wieder wurde ihr Blick von verzerrten Reflexionen angezogen, wandernden Schemen, deren Züge auf den unebenen Glasoberflächen so verzogen und verlaufen waren wie Skarabapur selbst. Tatsächlich schienen die Spiegelbilder eher hierher zu gehören als die Stadt selbst, vielleicht weil auch sie nur noch ein Zerrbild dessen war, wofür sie einmal gestanden hatte.
    Sabatea fühlte sich weder am Ziel ihrer Wünsche noch hatte sie das Gefühl, dass Skarabapur mehr als nur einen Schatten jener Symbolkraft besaß, die man ihm in den Legenden zuschrieb. Nur noch ein Gräberfeld aus gläsernen Ruinen. Damit ging kein Hochgefühl einher, keine Glücksmomente, nicht einmal Enttäuschung. Gar nichts. Die Empfindungen, die sein Anblick erzeugte, waren so leer wie seine Straßen und Plätze.
    »Wo ist Atalis?«, brach Khalis das Schweigen, als sie nach den ersten hundert Schritten noch immer nicht auf den Honigschrein gestoßen waren.
    »Wir sind gleich da«, sagte Nachtgesicht.
    Er bog jetzt von der breiten Schneise ab, über die sie die Stadt betreten hatten. Sie mochte einmal eine Prachtstraße gewesen sein, ein ausgetrocknetes Flussbett oder nur eine Wunde, die die Wilde Magie gewaltsam ins Gefüge der Häuser geschnitten hatte – genau war das nicht mehr zu erkennen. Durch einen Spalt führte er sie von dort aus in eine enge Gasse. Skarabapur war einst auf Hügeln errichtet worden, und sie gingen nun aufwärts, bis Nachtgesicht am höchsten Punkt der Gasse stehen blieb und durch einen ovalen Eingang ins Innere eines Gebäudes wies. Es war verformt, ähnlich einem Stück Käse, das zu nah am Feuer gelegen hatte. Das gläserne Dach hing durch wie eine Zeltplane, und der einzige große Innenraum besaß keine Rückwand mehr. Durch die Öffnung konnten sie den Hügel hinab über die inneren Viertel Skarabapurs blicken, über ein Meer spiegelnder Oberflächen wie von einem vereisten See, der nicht glatt, sondern bei hohem Wellengang gefroren war. Der Glanz des endlosen Grüns war überwältigend, und obwohl der Himmel noch immer dunstverhangen war, blendeten die Spiegelungen und brannten in Sabateas Augen.
    »Endlich!«, empfing Ifranji sie. »Da seid ihr ja!«
    Dass sie

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