Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
hast behauptet, sie zu lieben, aber das war eine Lüge. All die Jahre über war in dir nur Selbstmitleid, nur Hass auf dich selbst. Und da wirfst du anderen vor, dass sie dich hassen?«
    Amaryllis lachte. »Gerade du solltest das verstehen. Dein größter Feind warst immer nur du selbst. Sieh dich an im Glas! Du bist es noch immer.«
    Tarik riss sich von dem Splitterberg los, lief jetzt schneller, bis die Wände rechts und links der Straße wieder unversehrt waren, glatte Glasflächen, auf denen die Zahl seiner Spiegelbilder auf eine Handvoll schrumpfte. Im Laufen blickten sie sich zu ihm um, ganz gleich, in welche Richtung er selbst auch sah. Immer starrten sie ihn an und redeten in einem fort.
    »Es wäre so leicht gewesen, dich noch mehr leiden zu lassen«, sagte Amaryllis. Tariks Atem jagte, aber der Narbennarr sprach ruhig, ohne jede Hetze. »Aber wäre es mir nur um Rache gegangen, dann hätte ich dich dazu bringen können, das Mädchen zu töten.«
    »Lass Sabatea aus dem Spiel!«
    »Wie hätte es dir gefallen, ihren Schädel abzuschneiden, statt den des Byzantiners? Eine Zeitlang war dieser Gedanke sehr verlockend.«
    Die Straße wurde breiter und führte bergauf. Tarik erreichte eine Kuppe, beugte sich vor, stützte die Hände auf die Oberschenkel. Sein Herz pochte dumpf gegen die Rippen. Durchatmen. Ruhig werden. Nicht auf die Stimme hören.
    Als er sich langsam wieder aufrichtete, sah er, dass die Straße vor ihm abwärts führte. Von hier oben aus bot sich ihm ein weiter Ausblick auf das, was noch vor ihm lag. Menschenleere Straßenzüge und Gassen aus Glas. Ein Meer aus Grün und blitzenden Lichtreflexen.
    Die Glasscholle, die niedrig über den Ruinen schwebte, war nun deutlicher zu erkennen. Zahllose dunkle Punkte schwärmten um ihre Ränder, ein waberndes Auf und Ab zwischen Oben und Unten.
    »Es wäre so einfach gewesen, dich zu quälen und für das bezahlen zu lassen, was du in den Hängenden Städten getan hast«, sagte der Narbennarr, unermüdlich in seinem selbstgefälligen Geschwätz. »Aber dann habe ich die Wahrheit über Skarabapur erkannt.«
    Zum ersten Mal, seit der Narbennarr auf ihn einredete, spürte Tarik einen Anflug von Neugier. »Die Wahrheit über Skarabapur?«
    »Diese Stadt war einmal ein Sinnbild für die Erfüllung aller Träume«, sagte Amaryllis. »Glaubst du, Dschinne träumen nicht?«
    Er hatte sich bislang nie Gedanken darüber gemacht. Es war eine sonderbare Vorstellung.
    »Die Roch waren die Ersten, die die Stadt entdeckt haben. Aber sie haben nicht das gefunden, was sie sich erhofft hatten. Kein strahlender, überirdischer Ort, der sie mit Glück und Zufriedenheit erfüllte. Alles, was sie vorfanden, war eine große Enttäuschung. Der Mythos von Skarabapur entpuppte sich als Lüge. Und da beschlossen sie, die Legenden aus eigener Kraft wahr werden zu lassen. Wenn es hier keine Macht gab, die ihnen ihre Wünsche erfüllen konnte, dann wollten sie eben dafür sorgen, dass es sie geben würde. Sie raubten die Wunschmacht der Ifrit und bündelten sie, ohne zu ahnen, auf was sie sich einließen. Sie waren schlecht vorbereitet, ihre Fähigkeiten begrenzt. Die Wunschmacht geriet außer Kontrolle, es kam zum Ausbruch der Wilden Magie. Und sie veränderte alles.«
    Tarik setzte sich langsam wieder in Bewegung, nicht sicher, ob wirklich er selbst es war, der seinen Beinen den Befehl dazu gab. Benommen fiel ihm auf, dass Amaryllis anders klang als damals in den Hängenden Städten, weniger dämonisch, fast wie ein Mensch.
    Er benutzt nicht nur meine Stimme, dachte er. Er nutzt meinen Verstand, meine Wortwahl.
    Amaryllis fuhr fort: »Inmitten dieser Verwandlung, inmitten dieser Entartung dessen, was diese Stadt einst gewesen war, wurden wir Dschinne in die Welt geboren. Ihr Menschen nennt uns die Kinder der Wilden Magie, und das nicht zu Unrecht. Vieles ist an jenem Tag geschehen, vieles war danach nicht mehr wie vorher. Die Roch wurden vernichtet, nur einigen wenigen ist damals die Flucht gelungen. Ihnen blieb keine Zeit mehr, um zu begreifen, dass sie sich von Anfang an getäuscht hatten: Skarabapur hatte einst sehr wohl ihre Wünsche und Ziele erkannt. Die Roch suchten nach Macht, ohne sich dessen bewusst zu sein, und Skarabapur gab ihnen die Mittel dazu. Doch als diese Macht sich nicht mehr kontrollieren ließ und die Magie alles veränderte, da wandelte sich auch Skarabapur. Wäre diese Stadt ein Lebewesen, dann könnte man sagen, sie hätte den Verstand verloren. Aber

Weitere Kostenlose Bücher