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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sich über den Klang dieser Stimme einmal freuen würde, hätte Sabatea noch vor wenigen Tagen vehement bestritten. Und doch hoben sich nun ihre Mundwinkel fast gegen ihren Willen zu einem Lächeln.
    Ifranji sprang ihnen mit wirbelnden Zöpfen entgegen, fiel ihrem Bruder erleichtert um den Hals und wandte sich gleich darauf an Sabatea. Beide machten einen halben Schritt aufeinander zu, hoben unschlüssig die Hände, zögerten noch einmal – dann umarmten auch sie einander, ein wenig unbeholfen, aber herzlich.
    »Wo ist meine Tochter?«, wollte Khalis ungeduldig wissen.
    »Hier drüben.« Nachtgesicht deutete auf einen Durchgang, der irgendwann einmal rechteckig gewesen war, nun aber die Form einer Ohrmuschel hatte. Dahinter lag ein Innenhof mit blasig zerflossenen Wänden.
    In seiner Mitte stand der Kristallschrein.
    Die beiden Frauen im Honig hatten sich gedreht, standen Rücken an Rücken, als sei ihnen die Nähe auf so engem Raum zuwider geworden. Beide wirkten unversehrt, abgesehen von ihrer grauen Gesichtsfarbe. Die Kristalloberfläche wies ein Netz verästelter Risse auf. Khalis’ Schutzzauber wirkte nicht mehr. Die beiden Leichen waren seit einem Tag der Hitze ausgesetzt.
    Der Magier eilte auf den Schrein zu, stellte sich vor seine Tochter und legte beide Handflächen an den Kristall. Er schloss die Augen, senkte den Kopf, konzentrierte sich. Die Risse blieben bestehen, aber Sabatea hätte schwören können, dass sich Atalis’ Kinn unmerklich hob und ihre Haarspitzen einen Moment lang auf und ab wogten. Als Sabatea den Schrein umrundete, um nachzusehen, ob mit Maryam etwas Ähnliches geschah, wirkten beide wieder so leblos wie zuvor.
    Khalis löste sich mit einem Seufzen von der Kristallrundung und sah aus, als wäre er um weitere Jahre gealtert. In seinen Augen stand ein Ausdruck von Erleichterung. Mit einem nervösen Blinzeln suchten sie Nachtgesicht, der den Durchgang zum Hausinneren mit seiner Körpermasse ausfüllte.
    »Ich schulde dir Dank«, sagte der Magier. »Dafür, dass du meine Tochter gerettet hast.«
    Nachtgesicht trat auf der Stelle, ebenso unangenehm berührt wie Sabatea. Atalis lebte nicht mehr, heute ebenso wenig wie vor einer Woche oder einem Jahr. Nichts, das er getan hatte, würde sie zurück ins Leben holen.
    Aber Khalis wartete nicht auf eine Antwort. Er wandte sich wieder seiner Tochter zu und schien stumme Zwiesprache mit ihr zu halten. Sabatea schüttelte den Kopf und trat mit Nachtgesicht zurück ins Haus. Dabei fiel ihr Blick auf einen Teppich, der ausgerollt in einer Ecke des ehemaligen Wohnraums lag.
    »Ist das eurer?«, fragte sie überrascht.
    Nachtgesicht nickte. »Er ist von der Brücke geweht worden, als ich den Sturm heraufbeschworen habe. Wir haben ihn unten im Sand gefunden, bevor die Roch kamen und die Stelle untersucht haben.«
    Sabatea ging neben dem Knüpfwerk in die Hocke und strich mit den Fingerspitzen darüber. Die Berührung erinnerte sie schmerzlich an Tarik. »Er hat euch gesucht«, sagte sie leise. »Sonst hättet ihr ihn niemals wiedergefunden.«
    Ifranji trat neben sie. »Er stammt aus der Werkstatt von Kabir. Der alte Mann weiß, wie man einen fliegenden Teppich knüpft. In Bagdad sagt man, dass es zwar schnellere und flinkere Teppiche gibt als seine, aber dass niemand ihnen mehr Charakter und Leben verleiht.«
    Das brachte Sabatea zum Lächeln. Auch die Teppiche von Tarik und Junis stammten aus Kabirs Manufaktur, und sie selbst hatte in den Hängenden Städten erlebt, wie ihnen eines dieser Knüpfwerke das Leben gerettet hatte. Es hatte Tarik und sie in einer Rochtränke aufgespürt, hoch über dem Grund der großen Grotte. Ihr schien, als wäre das Jahre her.
    Mit einem unterdrückten Seufzen erhob sie sich, durchquerte den Raum und blieb an der offenen Rückseite stehen. Der Blick den Hügel hinab über Tausende von gläsernen Ruinen war atemberaubend und Furcht erregend zugleich. Sie suchte nach einem weißen Pferd mit Schwingen, nach irgendeinem Hinweis. Nichts.
    Dann entdeckte sie etwas anderes, das schlagartig all ihre Sorgen zurückbrachte.
    »Ist das -«
    »Eine Glasscholle«, fiel ihr Ifranji ins Wort. »Ich hab sie beobachtet, seit wir hier angekommen sind. Sie bewegt sich nicht von der Stelle.«
    Südlich von ihnen, verschwommen im Dunst und hinter Schleiern aus flirrender Luft, schwebte ein flacher Umriss über Skarabapur. Es hätte eine dunkle Wolke sein können, ungewöhnlich geformt, hätte Sabatea es nach ihrer Begegnung in der Wüste

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