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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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eine Mauer halten können, einen riesenhaften Verwandten der Alten Bastion vor Samarkand, wäre die Oberfläche nicht so schrundig und rau gewesen, ohne jede Spur von Fugen.
    »Das Felsplateau, auf dem Skarabapur liegt«, erklärte Nachtgesicht. »Der Abgrund zieht sich wie ein breiter Ring rundherum. Wer immer nach Skarabapur gelangen will, muss den Untersand überqueren und zuletzt an diesen Felsen hinauf. Die Stadt thront dort oben wie auf einer Insel.«
    Sabatea stand neben Nachtgesicht und Khalis aufrecht in der stillen Blase im Zentrum des Wirbelsturmtrichters. Obwohl sie vollkommen von den tosenden Winden abgeschottet waren, hatte sie das Gefühl, sich irgendwo festhalten zu müssen. Das Chaos, das sie umgab, täuschte ihren Sinnen vor, dass sie jeden Augenblick das Gleichgewicht verlieren musste.
    »Die Felsen sind zu hoch für fliegende Teppiche, oder?«, fragte sie, dankbar, sich mit irgendetwas ablenken zu können.
    Der Afrikaner nickte. »Nach hundertfünfzig Metern dürfte man gerade einmal auf halber Höhe sein. Umgekehrt gilt das aber auch für die Dschinne in der Stadt. Sie können den Grund des Untersands von dort oben aus nicht erreichen. Sobald sie über die Kante des Plateaus fliegen, stürzen sie ab, weil der Abgrund zu tief für sie ist.« Er ließ den Wirbelsturm einen Moment lang auf der Stelle rotieren. »Am Fuß der Felsen ist der Sand übersät mit Gerippen und Hornpanzern von Schwarmschrecken. Die Dschinne müssen sie den Roch auf den Hals gehetzt haben, und sie scheinen sich hier eine ganze Reihe Schlachten geliefert zu haben.« Als Sabatea ihn erstaunt ansah, fügte er mit einem verlegenen Grinsen hinzu: »Ich hab mich ein wenig umgesehen, ehe ich euch gesucht habe.«
    »Wie sieht es dort oben aus?«, fragte Khalis.
    Nachtgesicht lächelte beinahe genüsslich. »Noch etwas Geduld.« Er ließ die Hände über die unsichtbare Kugel wandern, mit deren Hilfe er den Sturm lenkte, schloss die Augen, machte eine ruckartige Bewegung mit den Armen und flüsterte eine Beschwörung.
    Unter ihnen bog sich das dünne Ende des Sturmtrichters zur Seite, geradewegs auf die Steilwand zu. Während der obere Teil weiterhin aufrecht stand, schob sich die Spitze des Tornados an den Felsen hinauf. Wie ein gebogenes Horn glitt der Sturm senkrecht nach oben, anfangs langsam, dann, als Nachtgesicht die richtige Balance gefunden hatte, immer schneller. Je höher sie aufstiegen, desto stärker verfärbte sich das Plateau. An seinem Fuß war es gelbbraun gewesen, aber in seinem oberen Drittel wurde es dunkler, dann grünlich. Sie kamen nun wieder in Regionen, in denen der Boden zu Glas geworden war.
    Nur wenige Atemzüge später durchstießen sie die Nebeldecke über dem Untersand. Der Wirbelsturm riss strudelnd ein gewaltiges Loch in den Dunst. Hinter den kreisenden Massen aus Luft und Staub erkannte Sabatea eine Kante, über die der Trichter hinwegwanderte. Oben angekommen, blieb er aufrecht stehen und sank in sich zusammen.
    Ehe sie sich’s versahen, schwebten sie weich wie auf einem Kissen zu Boden. Um Nachtgesichts Füße drehte das Lederband ein paar letzte Kreise, dann fiel es auf schimmerndes Glas. Der Sturm hatte sich spurlos aufgelöst.
    Sabatea brauchte einen Moment, ehe ihr Gleichgewichtssinn den festen Boden als solchen akzeptierte. Ihr war übel, aber das wurde zweitrangig, als sie sich umschaute.
    Sie befanden sich unweit der Kante des Plateaus. Der Wirbelsturm hatte mit seinen letzten Drehungen im Umkreis von zwanzig oder dreißig Metern allen Staub vom gläsernen Untergrund geweht. Der Boden war wie frisch gefegt und reflektierte das matte Licht der Sonne, die jenseits des Dunsts als glühende Perle am Himmel hing.
    Die äußeren Gebäude Skarabapurs erhoben sich nur einen Pfeilschuss entfernt. Auch sie waren zu Glas geworden. Erstaunlicherweise hatten sie ihre äußere Form annähernd beibehalten. Türen und Fenster waren noch immer zu erkennen, wenn auch verzogen und verlaufen, als hätte die gläserne Schmelze schlagartig innegehalten, bevor sie die Stadt dem Erdboden gleichmachen konnte. Wenn es noch letzte Zweifel gegeben hatte, dass der Ausbruch der Wilden Magie keinen bekannten Naturgesetzen gefolgt war, so wurden sie nun zerstreut. Eine Hitze, die den Wüstensand im Umkreis von Dutzenden Kilometern zu Glas zerschmolzen hatte, hätte von Skarabapur nichts übrig lassen dürfen. Und doch stand die Stadt noch immer, durch und durch gläsern wie ein fantastisches Kunstwerk. Es gab keine Ecken

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