Sturmkönige 03 - Glutsand
Brust immer schneller wurde, fragte er: »Sie haben dir nicht einmal eine Belohnung versprochen, oder?«
»Dein Tod ist meine Belohnung«, knurrte sie, ohne ihn anzusehen. Ihr Blick haftete an dem Dschinnfürsten, der nach wie vor Zwiesprache mit dem Libellenwesen hielt.
»Du weißt nichts über mich«, entgegnete er.
»Ihr wusstet nichts über uns, und trotzdem habt ihr so viele von uns getötet. Ihr habt geglaubt, ihr seid Befreier, die bejubelt werden, wenn sie auf ihren Stürmen herangeritten kommen, was?« Sie klang, als wollte sie vor ihm ausspucken. »Wir haben gebetet, dass ihr uns nicht zu nahe kommt! Manche haben gesehen, was geschieht, wenn Sturmkönige ein Lager angreifen… wie viele Unschuldige dabei ums Leben kommen. Stürme am Horizont haben uns keine Hoffnung gemacht – nur Todesangst!«
Er blinzelte gegen das Sonnenlicht, und seine Zuversicht sank. Hatte er sich getäuscht? Die Helligkeit bereitete ihm noch immer Schwierigkeiten, sie schmerzte in seinen Augen, ließ sie tränen. Er war nicht mehr sicher, ob er wirklich etwas gesehen hatte, gerade eben erst.
Mehrere Dschinnwächter schwebten in ihrer Nähe und behielten die beiden Gefangenen im Auge. Diejenigen, die den Fürsten begleitet hatten, waren abgelenkt. Sie alle wussten, dass Junis als Mensch nur zu Fuß fliehen konnte, quer über die Plattform, dann die Rampe hinunter durch das Innere der Zikkurat.
Er senkte die Stimme. »Wenn ich von hier verschwinde«, sagte er ruhig, »werde ich dich nicht zurücklassen.«
»Wenn du fliehst«, gab sie zurück, »werden sie dich auf der Stelle töten.«
»Das werden sie ohnehin tun, wenn dein Freund auf dem Thron sich daran erinnert, dass er mir die Schuld gibt an« – er zuckte die Achseln – »an was auch immer. An irgendetwas, das ihm offenbar keine Freude bereitet.«
Die bizarre Zwiesprache zwischen dem Fürsten und dem surrenden Insekt ging weiter. Der Thron schwebte keine zehn Meter von Junis entfernt, mit ihm vier Krieger der Leibgarde. Vier weitere waren über die Plattform verteilt, hingen eine Mannslänge oberhalb der Ruinen und schenkten ihre Aufmerksamkeit abwechselnd den Gefangenen und der Umgebung. Einer brüllte lautstark einige Schwarmschrecken an, die dem Turm zu nahe gekommen waren. Sie machten kehrt und entfernten sich langsam. Mehrere der anderen Krieger sahen zu den Rieseninsekten hinüber, und für einen Augenblick zuckte auch das Libellenwesen neben dem Knochenthron zusammen, als hätten die Rufe des Wächters ihm gegolten. Der Dschinnfürst zischte seinen Untergebenen ungehalten etwas zu, und sogleich lösten sich zwei aus der Formation und folgten den Schwarmschrecken, die sich zu nah an den Turm gewagt hatten. Mit wilden Gesten scheuchten sie die tumben Ungeheuer davon.
»Sie werden uns beide töten«, flüsterte Junis dem Mädchen zu.
»Natürlich.«
»Du hast keine Angst vor dem Tod?«
»Und du?«
»Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.«
Nun blickte sie doch von der Seite zu ihm auf, und zum ersten Mal entdeckte er etwas in ihrem Blick, das nichts mit Hass zu tun hatte. »Du gibst nicht so leicht auf, was?«, fragte sie.
»Du auch nicht«, sagte er überzeugt. »Sonst wärst du nicht aus dem Gehege geflohen, als du die Möglichkeit dazu hattest.«
»Ich -«
»Du hattest nicht von Anfang an vor, mich zu verraten«, unterbrach er sie leise, aber sehr bestimmt. »Nicht, als du hinter mir her in die Zikkurat gelaufen bist. Du wolltest frei sein, jedenfalls einen Moment lang. Und wenn du etwas anderes behauptest, dann belügst du nicht mich, sondern vor allem dich selbst.«
Sie starrte ihn an, jetzt verwundert, fast neugierig – und mit einer Spur von etwas, das tatsächlich Bedauern sein mochte, darüber, dass alles ganz anders gekommen war, als sie einige Augenblicke lang gehofft hatte.
»Von mir aus kannst du mich hassen«, fuhr er fort, »und verurteilen für das, was du den Sturmkönigen und Jibril vorwirfst. Meinetwegen stich mir später ein Messer in den Rücken, wenn du dich dann besser fühlst – aber nicht jetzt…«
»Ich hab gar kein -«
»… weil wir nämlich jetzt etwas ganz anderes vorhaben!«
Und mit diesen Worten packte er sie am Oberarm, zog sie die beiden Schritte bis zur Kante der Turmplattform und riss sie mit sich hinab in die Tiefe.
Sie schrie auf, als sie den Boden unter den Füßen verlor. Aber sie wehrte sich nicht gegen Junis’ Griff, war viel zu überrascht, genau wie die Dschinne, die mit ansahen, wie
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