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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Himmel. Jeder ihrer Teppiche war mit zwei Soldaten besetzt; einer lenkte mit der Hand im Muster, der andere war für den Fernkampf gerüstet. Die Reichweite ihrer kleineren, handlicheren Bogen war begrenzt, darum hatten sie abgewartet, bis die Dschinne näher heran waren.
    Noch bevor die erste Angriffswelle die Ausläufer der Stadt erreichte, waren fast zwei Drittel der Dschinne tot oder schwer verletzt abgestürzt. Ihre Heerführer zögerten, weitere Schwärme auszusenden. Die erste Attacke diente vor allem dazu, die Stärke der Verteidigung auszuloten. Bagdads Soldaten hatten einen eindrucksvollen Beweis ihrer Entschlossenheit geliefert. Das bedeutete, dass der zweite Angriff ungleich machtvoller über sie hereinbrechen würde.
    Junis beobachtete das Geschehen aus weiter Ferne. Er stand im Ausfallschritt auf seinem Teppich, die linke Hand im Muster, die rechte am Griff seines Schwertes.
    Die Waffe des Byzantiners lag gut in der Hand. Aber es war eine gerade Klinge. Junis’ Erfahrung beschränkte sich auf den Umgang mit Krummschwertern. Er war gespannt darauf, ob das einen Unterschied machte, wenn die Schneide durch purpurnes Dschinnfleisch schnitt.
    Der Wind trug den Geruch von Blut heran, von schwitzenden Menschen und von Dschinnen. Heiße, trockene Böen hüllten ihn in den Lärm der Schlacht.
    Die Reste der ersten Angriffswelle wurden erfolgreich abgewehrt. Solange die anderen Dschinnheere noch nicht eingetroffen waren, hatten die Verteidiger vielleicht eine Chance. Die Hauptstreitmacht aus dem Westen blieb außerhalb der Reichweite der Katapulte, während die Vorhut über den Zinnen aufgerieben wurde. Schon loderten am Fuß der Mauern Feuer auf, als die triumphierenden Soldaten ihre abgestürzten Feinde auf Scheiterhaufen warfen, die Kadaver mit Öl übergossen und entzündeten. Schwarzer, fettiger Qualm wölkte empor. Es dauerte nur wenige Atemzüge, ehe der bestialische Gestank auch bei Junis eintraf.
    Er zählte sechs Scheiterhaufen. Der Wind trieb ihre Rauchfahnen schon nach kurzem Aufstieg auseinander und vernebelte die Sicht der Schützen. Es gehörte nicht viel dazu, vorauszusehen, was als Nächstes geschehen würde.
    Die Dschinnfürsten kämpften im sechsten Jahrzehnt gegen die Menschen, und sie wussten um die Schwächen ihrer Gegner. Eine war Eitelkeit, eine andere Gründlichkeit. Die Scheiterhaufen waren Ausdruck von beidem, und sie brannten nicht zum ersten Mal.
    Noch während die Qualmsäulen zu schwarzen Vorhängen auffächerten, löste sich aus der Streitmacht der Dschinne die zweite Welle von Kriegern. Diesmal wurden sie von Schwarmschrecken begleitet, in deren Gefolge eine Handvoll Sandfalter heranschwebte. Als die schwarzen Horngiganten mit surrenden Libellenflügeln in die Reihen der Verteidiger vorstießen, mit schnappenden Kieferscheren und messerscharfen Hakenkrallen, spien die Sandfalter Fontänen tödlicher Säure auf die Soldaten hinab. Ihre gewaltigen Schmetterlingsschwingen, betörend schön gezeichnet, wirbelten majestätische Luftstrudel in die Rauchschwaden. Der Säureregen aus ihren Rachen traf Gegner wie Verbündete gleichermaßen, zerkochte sie zu brodelnden Pfützen.
    Ein Zittern raste durch Junis’ Glieder. Der Drang, selbst in die Schlacht einzugreifen, wurde von Grauen und Wut verdrängt. Der Untergang der Sturmkönige schien sich vor seinen Augen zu wiederholen, die Erinnerungen schoben sich wie eine Schablone über die Gegenwart. Er spürte wieder, wie es sich angefühlt hatte, den Tod von Ali Saban und Mukthir mit anzusehen; durchlebte erneut seine Machtlosigkeit im Angesicht der Dschinnfürsten und Kettenmagier; schmeckte Maryams Blut auf seinen Lippen, als er sie ein letztes Mal küsste.
    Ein Schrei stieg in ihm auf. Seine Finger ballten sich im Muster zur Faust. Der Teppich erbebte, verharrte aber weiterhin auf der Stelle. Das Knüpfwerk spürte die Verwirrung seines Reiters und verweigerte dem unbedachten Befehl den Gehorsam.
    In Gedanken sah Junis Jibril vor sich, die Silhouette des Jungen inmitten einer Kugel aus weißem Licht. Sah ihn am Himmel über der schroffen Gebirgsschlucht schweben, während die Helligkeit tastende Tentakel auswarf und panische Dschinnschwärme aus dem Himmel brannte. Sah ihn als das, was er wahrhaftig war: die mächtigste Waffe der Menschen im Kampf gegen die Dschinne.
    Der Preis dafür war das Opfer der Sturmkönige gewesen. Und vielleicht, nur vielleicht, wäre der Plan des Jungen aufgegangen, hätte er auch die Dschinnfürsten gleich

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