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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht abschätzen.
    Der kolossale Umriss war tatsächlich lichtdurchlässig und bestand aus Glas oder einem ähnlichen Material. Obwohl der Himmel darüber noch immer blau sein musste, wurde der Lichtschein grünlich gefiltert und gab den Gesichtern der Teppichreiter einen bleichen, kränklichen Ton. Die Unterseite der Scholle hatte eine pockennarbige Struktur, stellenweise von langen Zapfen und Beulen überzogen, Nestern aus strähnigen Wucherungen. Deshalb fiel das Licht von oben nicht gleichmäßig hindurch, änderte beständig seinen Einfallswinkel und verlieh der gesamten Scholle ein irisierendes Funkeln.
    Und noch etwas hatte Sabatea ganz richtig erkannt. Auf der Oberseite scharten sich zahllose dunkle Flecke, viele in Bewegung, offenbar Lebewesen, aber ungleich größer als die Dschinne. Schwarmschrecken und Sandfalter vermochten selbst zu fliegen, waren also nicht darauf angewiesen, auf der Scholle in die Schlacht getragen zu werden. Tarik hatte von lebenden Kriegs- und Belagerungsmaschinen gehört, und er brannte keineswegs darauf, die Bekanntschaft mit einer zu machen.
    »Bagdad wird fallen«, murmelte Khalis.
    Tarik hatte nie daran gezweifelt. Auch keiner der anderen widersprach. Ifranji, sonst nie um eine bissige Bemerkung verlegen, sah aus, als hätte man sie aus großer Höhe auf den Teppich hinter ihren Bruder fallen lassen, zusammengesunken und erschöpft. Nachtgesicht kaute nervös auf seiner Unterlippe, während Almarik mit lauernden Augen ruhelos die Bewegungen der Dschinne nachvollzog, die in unterschiedlichen Höhen über den Spalt hinwegschwebten.
    Tariks Blicke wanderten wieder zu den Schwärmen aus purpurnen Kriegern hinauf, beinlos, mit geflammten Hautmustern und dreigliedrigen Armen. Viele hielten Lanzen und klobige Hiebwaffen, manche trugen auch Köcher und Bogen. Früher, als Schmuggler auf den geheimen Routen zwischen Samarkand und Bagdad, hatte er gegen viele dieser Wesen gekämpft. Aber erst in den Hängenden Städten waren ihm Dschinne mit Pfeil und Bogen begegnet. Während der vergangenen Jahre hatten sie offenbar dazugelernt. Ihre Evolution war noch nicht am Ende angelangt, und die Vorstellung, wohin sie sich entwickeln mochten, ließ ihn schaudern.
    »Sie haben Kettenmagier dabei«, flüsterte Khalis.
    Mit wachsendem Unbehagen hielten sie nach den gefallenen Zauberern Ausschau, aber von hier unten waren keine zu entdecken.
    »Ich kann sie spüren«, raunte Khalis und wirkte dabei sonderbar abwesend.
    Sabateas Stimme klang heiser. »Junis hat gesagt, dass vier von ihnen beim Angriff der Sturmkönige vernichtet wurden. Wenn es stimmt, dass es ursprünglich zwölf gab -«
    »Was niemand mit Sicherheit weiß«, warf Almarik ein.
    »- und einer auf der Dornenkrone ums Leben gekommen ist, dann wären jetzt noch sieben übrig. Wie viele mögen sie brauchen, um dieses Ding in der Luft zu halten? Alle sieben?«
    »Spekulationen helfen uns auch nicht weiter«, knurrte Almarik.
    »Ich fühle mehr als einen«, sagte der Magier.
    Ifranji atmete tief durch. »Vielleicht sollten wir dann alle den Mund halten, damit sie uns nicht finden.«
    »Sehen und Hören gehören nicht zu den Stärken der Dschinne«, sagte Almarik. »Und wenn sie uns in dem Getümmel dort oben wittern könnten, wären sie wahrscheinlich schon hier.«
    »Khalis.« Tarik starrte den Hofmagier an. »Wenn du sie spüren kannst, bedeutet das, dass sie umgekehrt auch dich -«
    »Na, fabelhaft«, flüsterte Sabatea.
    »Möglich wäre es«, entgegnete Khalis.
    Nachtgesicht fluchte. Seine schwarze Glatze glänzte vor Schweiß. Unter seinen Armen zeichneten sich dunkle Ringe auf dem Gewand ab. Sie alle schwitzten seit ihrem Aufbruch aus Bagdad, und bislang hatte es keine Möglichkeit gegeben, sich zu waschen.
    Sabatea kam der gleiche Gedanke wie Tarik. »Sie müssen nicht allzu gut riechen können, um uns aufzuspüren, oder?«
    »Nein«, sagte er, »Wohl kaum.«
    Die vorüberziehenden Kriegerschwärme nahmen kein Ende, und auch die titanische Glasscholle schob sich noch immer über ihr Versteck hinweg. Ein paar hundert Meter, schätzte Tarik. Bis jetzt.
    Die dunklen Umrisse auf der Oberseite der gläsernen Insel dünnten sich aus, und endlich kam der Rand in Sicht. Der grüne Dämmerschein verschwand mit dem Schatten der Scholle. Im nächsten Augenblick wurde der Spalt abermals von Tageslicht geflutet. Die Strahlen reichten nicht bis zum Grund der Kluft, dafür stand die Morgensonne zu tief. Trotzdem mussten die sechs nun von oben aus

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