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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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besser zu erkennen sein.
    Jenseits der Scholle folgten weitere Formationen aus Dschinnkriegern, die meisten hoch oben und winzig klein, einige aber auch größer und näher, keine dreißig Meter über den Felsen.
    Niemand wagte zu atmen.
    Eine Patrouille aus acht oder zehn Dschinnen glitt unmittelbar über sie hinweg. Tarik konnte die erbeuteten Menschenskalps erkennen, die sie sich in die Haut ihrer kahlen Schädel eingenäht hatten. Manche hatten sich mit noch fremdartigeren Trophäen geschmückt, schlangenartigen Tentakeln, in Bündeln zusammengebunden, einer sogar mit einer abgeschlagenen Klaue, achtfingrig, halb verwest aus Knochen und Sehnen, ebenfalls am Hinterkopf angenäht. Es war keine menschliche Hand, auch nicht die eines Dschinns. Ein Vorgeschmack auf das, was weiter südlich in den Wüsten lauern mochte. Auf dem Weg nach Skarabapur.
    Die Krieger der Patrouille passierten die sechs, ohne sie zu bemerken. Auch die Schwärme hoch über ihnen zerfaserten und verschwanden schließlich ganz.
    Tarik und die anderen blieben noch eine Weile länger in ihrem Versteck, ehe sie sicher waren, dass keine Nachhut folgte und kein Dschinn sie zufällig bei einem Blick über die Schulter entdecken konnte. Als sie sich schließlich ins Freie wagten und blinzelnd im Sonnenschein umschauten, war das Heer der Dschinne nur noch ein verschwommener Fleck vor dem Sandozean der Wüste.
    »Woher bei allen Teufeln stammte dieses Ding?«, keuchte Nachtgesicht.
    »Geschmolzener Sand«, sagte Khalis unheilschwanger. »Ein Stück Wüstenboden, das so enormer Glut ausgesetzt wurde, dass es zerschmolzen und zu Glas geronnen ist. Es heißt, die Wilde Magie habe das Land selbst verändert – möglich, dass wir gerade einen Vorgeschmack darauf bekommen haben.«
    »Und die Kettenmagier haben dieses Stück Glas aus dem Boden gebrochen und zum Fliegen gebracht?«, stieß Ifranji aus. »Ein Stück Glas so groß wie eine verdammte Stadt?«
    Es war Sabatea, die nach einem Augenblick das unangenehme Schweigen brach. »Dann sollten wir zusehen, dass wir weiterkommen.« Sie deutete auf die Gewitterfront, die von Süden her näher rückte. »Wenn es da unten regnet, wird uns das noch lange genug aufhalten.«
    Tarik sandte einen Befehl ins Muster. Ohne auf die anderen zu warten, flogen Sabatea und er voraus, dem brodelnden Wall des Unwetters entgegen.

 
Kochender Schlamm
     
     
    Als Junis Bagdad erreichte, waren ihm die Dschinne zuvorgekommen.
    Im Westen, zwei Kilometer außerhalb der kreisrunden Stadtmauern, lag das erste der drei anrückenden Heere auf der Lauer. Die Armee aus den Zagrosbergen, gegen die er mit Maryam und den Sturmkönigen gekämpft hatte, kündigte sich durch mächtige Staubwolken im Südosten an, war aber noch weit entfernt. Vom Heer aus dem Süden, aus Skarabapur, fehlte nach wie vor jede Spur.
    Die Dschinnfürsten mochten mächtig sein, skrupellos und grausam – aber sie waren schlechte Strategen. Menschliche Heere hätten sich anderswo vereinigt und wären gemeinsam zum Angriff aufmarschiert. Nicht so die Dschinne. Statt abzuwarten, bis die Armeen aus dem Osten und Süden Bagdad erreichten, ließen die Heerführer aus dem Westen ihre Streitmacht bereits zur Schlacht antreten. Zahllose Dschinne färbten den westlichen Himmel dunkel und warteten darauf, den Sturm auf die Stadt zu beginnen.
    Aus der Ferne gesehen, lag Bagdad wie eine kreisrunde Brosche am geschlängelten Band des Tigris brütend in der Nachmittagssonne. Die Stadt war erst vor wenigen Jahrzehnten errichtet worden, das Herz des Kalifats, prachtvoller Sitz seiner Herrscher. Zwei Stadtmauern aus Lehmziegeln zogen sich als doppelter Ring um das verschachtelte Dächermeer im Inneren. Einhundert Türme wachten rundum wie Spitzen einer Krone über die breiten Wehrgänge und Zinnen. Zwischen den beiden Mauern lag ein sandiger Streifen Ödland, um Angreifer zwischen den Wällen einzukesseln und von oben mit Pfeilen, kochendem Öl und Pech einzudecken.
    Bagdads Verteidigungsanlagen waren weitsichtig geplant worden. Über zahllose Rampen und Treppen ließen sich die Mauern in Windeseile bemannen. Katapulte und Schleudern standen bereit. Es gab Plattformen für Teppichreiter und – im Inneren der Mauern – ausgedehnte Lazarette für die rasche Versorgung der Verwundeten.
    Der Großangriff der Dschinne war lange erwartet worden. Auf den beiden Mauerringen wimmelte es von Bogenschützen. Tausende Teppiche kreisten über den Türmen und Dächern, um den Feind in der Luft

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