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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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mit dem ersten Schlag seiner Lichttentakel ausgelöscht. So aber war er ihnen unterlegen, ein Gefangener der Fürsten auf ihren schwebenden Knochenthronen.
    All diese Bilder blitzten innerhalb eines einzigen Augenblicks vor Junis auf, durchmischt mit den Eindrücken der Schlacht an Bagdads Westwall. Und er erkannte, dass Jibril mehr war als der skrupellose Verräter, den er zuletzt in ihm gesehen hatte. Er war die Hoffnung der Menschheit, weil er sich ihren Emotionen verweigerte. Weil er kalkulierte, plante, abwog. Weil er eben keine Feuer entzünden ließ, die den eigenen Leuten den Atem und die Sicht raubten, selbst wenn die Flammen für eine Weile ihre Kampfmoral steigerten.
    Jibril hatte Opfer gebracht, weil es ihm richtig erschienen war. Wir können die Dschinne nicht schlagen, solange wir nicht denken wie sie, hatte er einmal zu Junis gesagt. War das der Schlüssel? War nur Jibril kaltblütig genug, gefühllos genug, war er innerlich längst Dschinn genug, um die Feinde mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?
    Maryam hatte das erkannt, weil sie mehr über diesen sonderbaren Jungen gewusst hatte als irgendjemand sonst. Sie war seine Vertraute gewesen. Etwas, das er zu ihr gesagt hatte, hatte sie derart überzeugt, dass sie selbst im Sterben noch für Jibrils Rettung gekämpft hatte.
    Das war die Verantwortung, die sie Junis übertragen hatte. Das war es, was er ihr schuldig war.
    Inmitten des Grauens vor Bagdads Toren, im Gestank der brennenden Dschinne und des geschmolzenen Fleischs, erfasste er endlich, was sie ihm da aufgebürdet hatte. Nicht weniger als die Zukunft der Menschheit. Damit das, was sich gerade vor seinen Augen abspielte, nicht wieder und wieder geschehen würde.
    Aus seiner Wut wurde Tatendrang, aus kaltem Hass Entschlossenheit. Inmitten schwarzer Trauer entflammte ein Funken neuer Hoffnung.
    Er würde tun, weshalb er hergekommen war. Nicht um eines Versprechens willen, sondern weil er mit einem Mal an dessen Richtigkeit glaubte. Weil er so sehr daran glaubte, wie Maryam es getan hatte.
    Und während ihn diese Erkenntnis überkam, ein Gefühl, das alles veränderte, holten die Dschinne zum nächsten Schlag aus.
    Am Fuß der Mauern wölbte sich die Wüste auf. Soldaten und Dschinne strömten schreiend auseinander. Männer fielen die Schrägen hinunter, während unter ihnen der Boden immer steilere Erhebungen bildete. Aus Hügeln wurden haushohe Kegel, pulsierten, blähten sich auf – und explodierten in schwarzen Fontänen.
    Kochender Schlamm strömte aus der Erde und verzehrte alles Leben.

 
Faruk
     
     
    Es stank nach Pech und heißer Asche.
    Fettiger schwarzer Rauch hing über den Zinnen der Stadt. Die Schreie der Verbrannten und Verletzten gellten aus den überfüllten Lazaretten im Inneren der Mauern. Zusätzliche Wundlager waren hastig jenseits des zweiten Walls auf den Straßen errichtet worden. In den Gassen kauerten jene, die das Schlamminferno überlebt hatten; es war nicht einmal die Hälfte jener Männer, die Stunden zuvor am Fuß der Mauer aufmarschiert waren.
    Am Boden rund um die Stadt gab es keinen Verteidigungsring mehr. Nur die Teppichreiter der Falkengarde hielten ihre Positionen, um Bagdad vor weiteren Angriffen aus der Luft zu schützen. Derzeit – keine zwanzig Minuten nach dem Ausbruch der Schlammvulkane – ruhten die Kämpfe. Der Feind war vorerst zufrieden damit, die Verteidiger hinter die Mauern getrieben zu haben. Draußen vor der Stadt gab es keine lebenden Menschen mehr, nur schwarz verkrustete Leichen, manche halb aufgerichtet inmitten des Morasts, erstarrt zu flehenden Skulpturen.
    Als die Dschinne die Schlammvulkane zum Ausbruch gebracht hatten, hatten Bagdads Heerführer den Rückzug hinter die Mauern angeordnet. Durch die vier großen Tore waren die Soldaten ins Innere geströmt, in Panik auf der Flucht vor der brodelnden Flut, die ihnen zähflüssig folgte und erst von den Torflügeln aufgehalten wurde. Die rauchenden Krater reihten sich in Abständen von vierzig, fünfzig Metern um die gesamte Stadt. Ihr Qualm hing als wabernde Glocke über Bagdad, dem Fluss und dem öden Umland. Im Westen waren die Fontänen mit der größten Gewalt ausgebrochen und bis zu den Zinnen emporgespritzt. Jetzt waren die einstmals hellen Mauern besudelt mit bizarren Mustern aus Schlamm, wie Schriftzeichen eines magischen Zirkels, den die Dschinne um die Hauptstadt des Kalifats gelegt hatten.
    Offenbar hatten ihre Kettenmagier die exakten Orte der Eruptionen nicht beeinflussen

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