Sturmkönige 03 - Glutsand
Sogar Almariks Züge verrieten Erleichterung. Aber sein Blick folgte nicht Junis, sondern blieb auf Tarik gerichtet. Der Kampf zwischen ihnen war ohne ihr Zutun vertagt worden.
Die drei Dschinne wechselten unverständliche Worte. Einer zeigte auf die Abdrücke, die in Richtung des verlassenen Nests führten. In einer engen Kurve drehten sie bei und schwebten zurück zu ihren Artgenossen.
Bald darauf setzte der Spähtrupp seinen Weg nach Nordwesten fort, dorthin, wo weit entfernt und unsichtbar jenseits des Hitzeflimmerns Bagdad lag.
»Was hast du zu ihm gesagt?«, fragte Tarik.
»Die Wahrheit, hoffentlich«, antwortete Sabatea, so leise, dass nur er es verstehen konnte. »Falls Khalis es zulässt.«
Aber bevor er weiterfragen konnte, wandte sie sich ab und stieg hinab zum Grund der Senke.
Kraftprobe
»Niemals!« Khalis schnaubte vor Zorn.
»Maryam liegt seit heute Mittag in dieser Hitze«, gab Sabatea heftig zurück. »Wie lange, glaubst du, wird das noch gut gehen?«
»Ich bedaure euren Verlust«, behauptete der Magier ohne jedes Mitgefühl. »Aber wir werden sie nicht zu Atalis in den Honigschrein stecken. Das ist mein letztes Wort.«
Junis blickte aufgebracht von ihm zu Tarik. »Wenn es wirklich einen Weg gibt, sie zurück ins Leben zu holen… in Skarabapur… dann muss sie mit dorthin.«
Tarik wollte etwas erwidern, aber der Hofmagier des Kalifen kam ihm zuvor. »Meine Tochter ist nicht tot. Tief in ihr ist noch Leben. Eine Flamme, die wieder entfacht werden kann.« Sein Pathos klang beinahe bemüht, als wäre es in Wahrheit seine Hoffnung, die wieder entfacht werden musste.
Junis deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Honigschrein. Das Kristallgefäß stand in seiner Verankerung auf Khalis’ ausgebreitetem Teppich im Sand. Vor der Abenddämmerung, im letzten Sonnenschein über der Wüste, funkelte der hohe Zylinder mit seiner goldenen Füllung wie ein geschliffener, mannshoher Bernstein. Atalis’ lebloser Körper schwebte darin, in ein eng anliegendes weißes Gewand gehüllt, unter dem sich die knochigen Formen ihres Körpers abzeichneten. Augen und Mund waren geschlossen, die Finger an ihren Seiten fächerförmig gespreizt. Das dunkle Haar trieb um ihren Kopf wie erstarrte Rauchschlieren. Atalis war noch keine zwanzig gewesen, als sie vor acht Jahren in diesen Zustand verfallen war. Khalis behauptete, dass sie seither weder alterte noch verweste. Ihr Leib war mager, aber ihr Gesicht wirkte voll und friedlich wie das einer Schlafenden.
»Sie ist tot«, rief Junis. »Und jeder hier weiß das. So tot wie Maryam!« In hilflosem Zorn wandte er sich an seinen Bruder: »Tarik, sag du es ihm! Es geht um Maryam, verdammt noch mal!«
Tarik hatte selbst lange genug unter Maryams Verlust gelitten. Aber hätte sie das hier gewollt? In Honig zu schwimmen, um irgendwann vielleicht vom Dritten Wunsch mit etwas erfüllt zu werden, das neues Leben oder ein Anschein davon sein mochte – oder aber etwas Schlimmeres?
»Niemand weiß, was geschehen wird«, sagte er zu Junis. Zu seinen Füßen stand eine Sanduhr, ihr Inhalt war zur Hälfte durch das gläserne Nadelöhr gerieselt. »Selbst wenn wir Skarabapur lebend erreichen und dort den Dritten Wunsch finden… und wenn es uns gelingen sollte, bis zu ihm vorzustoßen, ins Allerheiligste der Dschinne… selbst wenn es so kommen sollte, weiß keiner von uns, was danach passieren wird.«
Es war offensichtlich, dass Junis das alles nicht hören wollte. Anklagend wandte er sich an Sabatea. »Du hast gesagt, dass der Dritte Wunsch sie wieder zum Leben erwecken kann!«
»Ich habe gesagt, dass Khalis es versuchen will. Aber auch er kann dir keine Garantie geben, dass es gelingen wird.«
Der Magier sah aus, als wollte er widersprechen – er glaubte fest an den Erfolg seiner Mission –, besann sich jedoch im letzten Augenblick eines Besseren. Das hier war nicht der Zeitpunkt, um auf seinen Überzeugungen zu beharren.
Ifranji und Nachtgesicht saßen neben Maryams Leichnam im Sand. Beide waren ihr vor Jahren bei den Sturmkönigen begegnet. Noch vor wenigen Tagen hatte Nachtgesicht Tarik erzählt, dass er und seine Schwester die Rebellen aufgrund eines Streits zwischen Ifranji und Maryam verlassen hatten. Das dunkelhäutige Mädchen hatte womöglich Gründe gehabt, Maryam den Tod zu wünschen. Jetzt aber saßen sie und ihr Bruder eng bei der Leiche, als wollten sie sie vor Khalis beschützen.
Ifranji war immer wieder für eine Überraschung gut, und ihre
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