Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
in ihren Köpfen, die sich unaufhaltsam in Luft auflöste.
    Er überließ die anderen ihren Mutmaßungen und machte sich zu Fuß auf den Weg zum Rand. Er war keine dreißig Meter weit gekommen, als er jemanden in seinem Rücken spürte. Noch bevor er sich umdrehte, wusste er, dass sie es war.
    Sabatea bewegte sich fast lautlos in ihren dünnen Sandalen. Sie lief gern barfuß, aber das erhitzte Glas war zu heiß. Das Hemd und die weite Pluderhose wurden vom Wind gegen ihre zierlichen Umrisse gepresst, die knappe Weste flatterte auf und zu. Im Gehen band sie ihr langes Haar am Hinterkopf zu einem Knoten.
    Nicht zum ersten Mal schürte ihr Lächeln seinen Argwohn. »Es gibt vielleicht einen Weg, um die Wahrheit herauszufinden«, sagte sie, während lose schwarze Strähnen um ihre Wangen strichen.
    »Warum besprichst du ihn nicht mit unserem Meister der Regenbögen?«
    »Lass das«, erwiderte sie ruhig. »Ich mein’s ernst.«
    Er ließ zu, dass sie ihn bei der Hand nahm und näher zum Abgrund führte. Der heiße Wind wehte hier stärker, und irgendwo in seinem Hinterkopf warnte ihn etwas, dass es vielleicht keine gute Idee war, bis unmittelbar an den Rand zu treten. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen, seinen Herzschlag beschleunigen, und da wusste er, dass es trotz allem genau das war, was er tun musste. Er kannte dieses Gefühl von jener Art Gefahren, die er ein Leben lang bewusst gesucht hatte. Beim Anflug auf die Palastpassage der verbotenen Teppichrennen. Bei seinen Vorstößen ins Dschinnland auf der Schmuggelroute nach Bagdad. Vor allem aber von jenem Augenblick, als er sich zum ersten Mal eingestanden hatte, dass er Sabatea nicht mehr aufgeben würde, ganz gleich, wohin sie beide das führen würde.
    Sogar hierher. Oder noch weiter hinaus, ins Nirgendwo dieses Abgrunds.
    »Skarabapur ist da draußen«, sagte sie, den Blick in die flirrende Leere gerichtet. Dort oben zog das Elfenbeinpferd einsame Runden. Seine weiße Mähne flatterte im Wind. Tarik meinte das mechanische Klicken und Surren zu hören, das es am Leben hielt. In Wahrheit aber war es dazu viel zu weit entfernt.
    »Wenn die Teppiche uns nicht dorthin tragen können«, sagte sie, »gibt es vielleicht trotzdem eine Möglichkeit. Für einen von uns.«
    Er löste seinen Blick mit einem Ruck von dem kreisenden Zauberpferd. »Kommt gar nicht in Frage.«
    Sie lächelte und seufzte zugleich, was sie beinahe so schön machte wie sonst nur, wenn sie wütend war. »Ich hatte nicht vor, dich um Erlaubnis zu bitten.«
    »Kein Elfenbeinpferd lässt einen Menschen auf seinem Rücken reiten.« So, wie er das sagte, klang es wie etwas, das er sich selbst einreden musste. Dabei war es die Wahrheit: Niemand war je auf einem Zauberpferd geritten. Niemand, von dem man gehört hatte. Der winzige Unterschied, den das machte, klaffte mit einem Mal so bodenlos wie der Abgrund vor ihm.
    »Ich werd’s versuchen«, sagte sie fest.
    »Und allein nach Skarabapur fliegen? Zum Dritten Wunsch? Mitten ins Herz dieser Dschinnplage?«
    »Das ist die einzige Möglichkeit.«
    »Wir werden eine andere finden!« Zu schnell, zu impulsiv, mit zu wenig Überzeugungskraft. Weil sie natürlich Recht hatte. Er fragte sich, wann sie zum ersten Mal über diese Möglichkeit nachgedacht hatte. Schon viel früher, als klar geworden war, dass das Zauberpferd ihr allein vertraute? Hatte sie etwas wie das hier kommen sehen?
    Und, viel wichtiger: Hatte Khalis es kommen sehen? Waren sie deshalb hier, alle beide? Weil Sabatea ohne Tarik nicht gegangen wäre – und keineswegs umgekehrt, wie er die ganze Zeit über angenommen hatte?
    Aber was ist mit mir?, flüsterte der Narbennarr, und Tarik dachte: Bin ich das? Nur ich selbst?
    Er war drauf und dran, zu den anderen zurückzukehren und dem Alten den Hals umzudrehen. So oder so schien es das Richtige zu sein, ein bewährtes Mittel gegen seine Hilflosigkeit. Jemanden zu verletzen, Khalis oder Almarik, würde ihm guttun. Zwei Fliegen auf einen Schlag: Wenn er Khalis als Ersten erwischte, konnten Almarik und er sich nicht mehr aus dem Weg gehen.
    Sabatea machte noch einen Schritt nach vorn. Sie stand jetzt unmittelbar an der Kante. Sie lachte leise, als sie sich ganz seinem Griff überließ. Hob einen ihrer schmalen Füße vom Boden, lehnte sich vorwärts hinaus in die Leere.
    »Hör auf damit«, bat er sie.
    »Aber ich vertraue dir«, erwiderte sie und schloss die Augen. Als könnte sie Skarabapur auf der Rückseite ihrer Lider sehen, die

Weitere Kostenlose Bücher