Sturmkönige 03 - Glutsand
entgegengebracht hatte.
Sabatea trat unmittelbar an das Pferd heran, strich mit der Hand über seine Mähne. Berührte seine Flanke, zog die Hand dann ganz langsam wieder zurück. Vielleicht wurde ihr gerade bewusst, dass sie es nicht mit einem Tier zu tun hatte. Zutraulichkeiten, die einem gewöhnlichen Schimmel gefallen hätten, mochten das Zauberpferd nur irritieren.
Mit zwei Schritten stellte sie sich vor das Wesen. Hielt dem Blick seiner dunklen Augen stand und wartete ab. Das Elfenbeinpferd beugte sein Haupt, schob es sanft nach vorn und stupste zaghaft gegen ihre Schulter.
Sabatea hob eine Hand und berührte das Ross zwischen den Augen, streichelte nun doch noch seine Nüstern. Das Zauberpferd ließ es geschehen, rieb ganz langsam den Huf am Boden.
Noch immer sprach niemand ein Wort. Nicht einmal Ifranji brachte eine Bemerkung zustande, so verzaubert waren sie alle vom Anblick der beiden dort drüben am Abgrund.
Sabateas Lippen bewegten sich. Das Zauberpferd legte die Schwingen an und drehte sich um eine Winzigkeit. Sie nickte ihm zu und zog sich mit einer gleitenden Bewegung auf seinen Rücken. Es gab weder Sattel noch Zaumzeug, aber ihr schien das nichts auszumachen. Sie beugte sich vor, grub die Hände tief in die Mähne und winkelte die Beine an, damit es ungehindert die Schwingen spreizen konnte.
Abermals gab das Zauberpferd gurrende Laute von sich. Als es erneut seine Flügel ausbreitete, wehte ein zimtartiges Aroma herüber. Es kam Tarik angenehmer vor als bei den Malen zuvor; auch jetzt war es durchmischt mit dem Geruch von Schmierfett und Stall, aber das süßliche Zimt überlagerte beides, als wollte das Pferd den Menschen auch damit ein Signal geben.
Sabatea hob eine Hand und winkte Tarik zu, als sich das Pferd in Bewegung setzte. Es verfiel in einen schnellen Trab, dann in Galopp, preschte am Abgrund entlang nach Osten. Glas knirschte unter den Hufen. Wind verfing sich in raschelndem Gefieder. Sabateas schwarzes Haar löste sich einmal mehr aus dem Knoten im Nacken, flatterte wild hinter ihr her. Sie stieß ein erleichtertes Lachen aus, als das Pferd nach rechts ausbrach und die Distanz zum Abgrund überwand.
Tarik ballte die Fäuste. Almarik murmelte einen Fluch, anerkennend und staunend zugleich.
Das Zauberpferd verließ den festen Boden, löste sich mit allen vier Hufen vom Glas und sprang von der Kante hinaus in die Leere. Es gab keinen sichtbaren Ruck, kein noch so winziges Absacken. Es galoppierte mühelos über die Luft, während sich seine Schwingen gemächlich hoben und senkten und das Klicken und Klacken der künstlichen Gelenke im Fauchen der Winde verklang.
Sabatea sah über die Schulter. Ihre weißgrauen Geisteraugen reflektierten das Smaragdgrün der Glaswüste, als sie ein letztes Mal aufblitzten. Dann wandte sie sich nach vorn, dem Nichts dort draußen entgegen, wo statt eines Horizonts nur grellweißes Flirren die Weite beherrschte.
Nachtgesicht öffnete den Mund und machte zwei, drei Schritte nach vorn. Ifranji murmelte etwas, das eine Anrufung ihrer Götter sein mochte. Almarik schüttelte nur den Kopf, während Khalis die Stirn in tiefe Falten legte und nachdenklich seinen Bart zwischen den Fingern drehte.
Tarik stand lange ohne irgendeine Regung da. Er blickte Sabatea schweigend nach, bis sie und das Pferd nur noch ein Punkt inmitten der Helligkeit waren. Erst dann ging er allein zur Kante, setzte sich im Schneidersitz an den Rand und starrte nachdenklich hinab in die Tiefe.
Sieh nur, flüsterte der Narbennarr.
Etwas bewegte sich dort unten.
Die Besessenen
Junis kam am Boden auf, inmitten der heulenden, tobenden Menge.
Rot unterlaufene Augen richteten sich auf ihn. Aufgerissene Münder spuckten Speichel und Blut. Hände reckten sich in seine Richtung. Einen Moment lang wurde das Kreischen innerhalb des Sklavengeheges ohrenbetäubend.
Er landete in der Hocke, glitt unter zupackenden Klauen hindurch, stieß grob zwei unterernährte Männer beiseite und erreichte eine Mauer aus Lehmziegeln. Er presste sich mit dem Rücken dagegen, während er sich darauf gefasst machte, unter Dutzenden Angreifern begraben zu werden.
Doch diejenigen, die ihn hatten herabstürzen sehen, vergaßen ihn noch im selben Augenblick. Die beiden, die er angerempelt hatte, wirbelten herum und suchten ihn, schienen aber schon nicht mehr zu wissen, wie er aussah. Statt sich auf ihn zu stürzen, griffen sie zwei andere Gestalten an, abgemagert wie sie selbst, sodass Junis auf den
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