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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Verheißungen, die alle ein Leben lang suchten. Das Traumgespinst in den Morgenstunden, kurz vorm Schritt in die Wirklichkeit. Vielleicht hatte sie ein wenig mehr davon hinüber ins Wachsein gerettet als er und die anderen.
    »Bitte«, sagte er, »lass das sein.«
    Sie lachte, ohne die Augen zu öffnen. Stand auf einem Bein über dem Abgrund, die linke Hand in seiner rechten, den Arm ausgestreckt, den ganzen Körper vorgebeugt. Wenn sie ihm jetzt entglitt, würde sie sich allein nicht mehr halten können.
    »Es ist genau das Gleiche«, flüsterte sie, als dürfe der Wind sie nicht hören. »Nur Vertrauen, das mich davor bewahrt, in die Tiefe zu stürzen. Wie auf dem Rücken des Elfenbeinpferdes.«
    »Vertrauen wird dir nicht die Dschinne vom Hals halten.«
    »Skarabapur ist auch ein Symbol, Tarik. Für unsere größten Wünsche und Ziele. Die Dschinne haben es gefunden, warum sollten wir das nicht auch können?« Jetzt wandte sie den Kopf um eine Winzigkeit, sah ihn mit ihren Geisteraugen an. »Sie haben ihr Ziel schon erreicht, Tarik. Verstehst du?«
    Nein, er verstand kein Wort, aber er schwieg. Ihre Hand in seiner schwitzte leicht. Oder war das seine eigene?
    »Was ist wohl für die Dschinne das höchste aller Ziele?«, fragte sie. »Nicht der Untergang von Bagdad, nicht das Ende der Menschheit. Skarabapur ist bereits der Endpunkt. Die Ziellinie beim Teppichrennen. Was kann danach noch kommen?«
    Er erinnerte sich genau und dachte: nichts. Nur das Warten auf ein Vergessen, das doch niemals eintritt; hellwache Nächte ohne Träume; verborgene Ängste, die einen in den Irrsinn treiben.
    »Genau dort sind sie jetzt angekommen«, wisperte Sabatea. »Hinter dem Ziel. Aber sie können nicht loslassen, stürmen einfach immer vorwärts, sind weiter auf der Suche. Das erinnert dich an jemanden, nicht wahr?«
    Die Leere in seinem Kopf nach den Rennen in Samarkand. Schlägereien mit Männern, die er nicht kannte. Panik, ohne zu wissen, weshalb. Hass auf sich selbst und die Welt.
    Sabatea hatte ihn von alldem geheilt.
    »Ihr ganzes Volk ist da, wo du schon warst«, sagte sie. Ihre Hand rutschte jetzt fast aus seiner. »Die Zeit nach den Siegen, in der die Furcht trotz allem nicht weichen will. Das Um-sich-Schlagen und Austreten gegen andere, Wut und Zorn und Verbitterung. Du hast alle Rennen gewonnen, hast immer das Ziel als Erster erreicht, aber zufrieden hat es dich nicht gemacht. Das sind sie, Tarik. Das sind die Dschinne.«
    Ihr Haar löste sich in einem heftigen Aufwind und wallte ihm rabenschwarz entgegen.
    »Skarabapur war ihr Ziel, so, wie es das von uns allen ist«, sagte sie. »Und es hat alles nur noch schlimmer gemacht.«
    Seine Stimme war rau und trocken, das fremde Auge pochte in seinem Schädel. »Und dort willst du hingehen?«
    »Jemand muss dem ein Ende machen. Ich glaube, es sind gar nicht die Dschinne, die wir fürchten müssen. Es ist dieser Ort.«
    Sie lächelte traurig. Ihre Hand glitt aus seiner.
    »Es ist Skarabapur, Tarik. Skarabapur ist der Schlüssel zu allem.«
    Er bekam sie zu packen, bevor sie fallen konnte. Sie klammerte sich an ihn, küsste ihn. Und da verstand er, dass sie versuchte, Lebewohl zu sagen.

 
Ritt ins Nichts
     
     
    Am nächsten Morgen wartete das Pferd an der Glaskante. Stand da mit gefalteten Schwingen, die rätselhaften dunklen Augen erfüllt von uralter Weisheit.
    Sabatea ging langsam darauf zu, streckte vorsichtig eine Hand aus. Ein schmales Bündel mit Vorräten war auf ihrem Rücken verschnürt. Geduldig wartete sie auf eine Reaktion des Zauberpferdes. Das Wesen verriet weder Zustimmung noch Scheu. Es machte keine Anstalten, die Flucht zu ergreifen, zeigte aber auch durch nichts, dass es eine Berührung dulden würde.
    Während Sabatea vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte, löste Tarik seinen Blick von ihr und beobachtete die anderen. Wie er selbst standen sie ein gutes Stück von der Kante entfernt und sahen schweigend zu Sabatea hinüber.
    Khalis wirkte verschlossen und düster. Aus seinen Zügen war nicht abzulesen, ob er dies alles tatsächlich geplant oder zumindest vorhergesehen hatte. Womöglich war er so erstaunt über Sabateas Entscheidung wie alle anderen. Almarik stand hinter ihm, die Arme vor der Brust verschränkt. Er hatte sich gegen die erbarmungslose Sonne ein Tuch um den Kopf gewickelt; kein formvollendeter Turban wie der von Khalis, aber ausreichend, um seinen Zweck zu erfüllen. Seine Miene verriet eine amüsierte Neugier, fast ein vages

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