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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Jedenfalls behaupten das deine beiden Freunde.«
    Mindestens vier Stunden also. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so lange bewusstlos gewesen zu sein. Überhaupt gab es wenig, an das er sich auf Anhieb erinnern konnte. Bilder, Gefühle, Gedanken rieselten langsam zurück in seinen Verstand wie Staub durch das Nadelöhr der Sanduhr.
    »Was hast du mit ihnen gemacht?«
    »Gemacht?« Almarik klang aufrichtig verwundert. »Nichts. Schau dich um… Das heißt, nein, besser nicht. Sonst fällst du mir noch vom Teppich.«
    Tarik wollte ihn töten, auf der Stelle, aber aller Voraussicht nach waren seine Chancen in diesem Zustand – halb benebelt, von oben bis unten gefesselt – nicht die besten.
    »Sie sind hinter uns«, sagte Almarik. »Alle beide. Und Khalis natürlich.«
    Tarik verrenkte sich den Hals, um einen Blick zurückzuwerfen. Es gelang ihm nicht, ohne sich umzudrehen, und das war im Augenblick tatsächlich ein zu großes Risiko.
    Nachtgesicht rief ihn beim Namen. »Lebst du noch?«
    »Wonach sieht es denn aus?«
    »Allah in seiner Gnade sei tausendfacher Dank!«, entfuhr es dem Afrikaner. Ifranji murmelte etwas, dessen Bedeutung in der Leere zwischen den Teppichen verloren ging. Tarik musste es nicht verstehen, um zu wissen, dass es keine freundliche Begrüßung war. Zugleich aber kehrte die Erinnerung an das zurück, was sie getan hatte: Ifranji hatte sich auf Almarik gestürzt, hatte dabei ihr Leben riskiert. Wie es aussah, war er dem Mädchen etwas schuldig.
    »Wenn Sabatea zur Kante zurückkehrt und keinen von uns dort findet«, begann er, aber der Byzantiner unterbrach ihn: »Sie ist klug genug zu wissen, dass wir nicht umgekehrt sind. Es gibt nur zwei Richtungen, die sie dann einschlagen kann: An der Kante entlang nach Osten oder nach Westen. Mit etwas Glück nimmt sie denselben Weg wie wir. Mit etwas Pech – den falschen.«
    Das Gefühl des freien Falls steckte noch immer in Tarik, und jetzt wurde es wieder schlimmer. Er kannte es aus Träumen, aus denen er schweißgebadet erwacht war. Die Bewusstlosigkeit hatte ihm das Gleiche vorgegaukelt, nur ungleich heftiger.
    Almarik war als Sieger aus dem Kampf an der Kante hervorgegangen. Sie waren quitt. Eine Revanche würde es nicht geben. Tarik würde ihn vorher umbringen.
    Die Lederklappe lag dicht auf seinem linken Auge. Ein Wunder, dass sie im Kampf nicht fortgerissen worden war. Almarik wusste nur zu gut um seine Schwäche und hätte sie sich beim nächsten Zusammenstoß zweifellos zunutze gemacht. Tarik fühlte sich wie ein Krüppel, und das machte ihn noch wütender.
    Du hast nur ein Auge, wisperte es hämisch in seinem Schädel. Was sonst solltest du sein?
    Falls Khalis wirklich einen Pakt mit Amaryllis geschlossen hatte, um ihn nach Skarabapur zu bringen, dann waren der Magier und Almarik seine geringsten Sorgen. Sein gefährlichster Gegner lauerte in seinem Inneren. Der Narbennarr und er waren noch nicht fertig miteinander. Es kostete ihn Überwindung, sich einzugestehen, dass ihm die Vorstellung Angst machte. Fast genauso schlimm war, dass der Narbennarr in seinen Gedanken las und wusste, dass Tarik die Konfrontation mit ihm fürchtete.
    »Da vorn!«, rief Almarik.
    »Das ist die Brücke«, bestätigte Nachtgesicht hinter ihnen.
    Der Byzantiner pfiff durch die Zähne. »Verdammt, Schmuggler, nun sieh dir das an!«
    Sie wurden noch einmal schneller und flogen einen Bogen. Der hämmernde Schmerz in Tariks Schädel war entsetzlich, aber er hob den Kopf ein weiteres Mal, blickte nach links über den Teppichrand, musste sich wegen der verfluchten Augenklappe nun doch noch ein Stück weit herumrollen – und sah, was der Byzantiner meinte.
    Vor ihnen führte ein gewaltiger Steg vom Rand der Glaswüste hinaus in den Nebel. Das letzte Licht der untergehenden Sonne glitzerte auf den Oberflächen der Glasbrocken, aus denen die Brücke zusammengesetzt war. Die Dschinne hatten Überreste geborstener Glasschollen an Ecken und Kanten miteinander verschmolzen und ein Bauwerk erschaffen, das auf den ersten Blick aussah wie eine Kette aus gesplitterten Quarzen, die Tarik als Kind einmal für Maryam auf dem Basar gestohlen hatte.
    An seiner schmalsten Stelle mochte der Steg zehn Meter messen, an der breitesten dreißig. Die Scherben waren scharfkantig, mit zahlreichen Ecken. Manche besaßen zwei glatte Seiten wie Stücke eines zerbrochenen Tellers, andere ähnelten geschliffenen Edelsteinen mit einer Vielzahl schimmernder Facetten, die das Indigolicht des Abends

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