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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Er rang um sein Gleichgewicht. Über die Tatsache, dass ihm ausgerechnet Ifranji zu Hilfe gekommen war, würde er sich später wundern können – jetzt musste er ihr helfen. Sie hing noch immer an Almarik, Kopf und Schultern zurückgebogen, während ihre Daumen endlich seine Augen fanden und hineinstießen. Der Ifritjäger schrie auf, rammte ihr die Faust mit aller Kraft in den Unterleib und stieß sie von sich, als ihr Klammergriff schlagartig nachließ. Sie hatte Glück, dass der Abgrund nicht genau hinter ihr war; so kam sie röchelnd auf festem Boden auf, einen guten Schritt von der Kante entfernt.
    Almarik suchte mit feuerroten Augen nach seinem eigentlichen Gegner – und entdeckte ihn zu spät. Tariks Faust traf ihn ins Gesicht. Nur eine intuitive Bewegung verhinderte, dass sie ihm den Kiefer brach. Schmerz loderte Tariks Arm herauf, während tief in ihm eine Stimme verlangte, dem Ganzen hier endlich ein Ende zu setzen und Almarik zu töten. Nicht der Narbennarr – es war Sabateas Stimme, ein Echo in seiner Erinnerung. Er hätte gleich auf sie hören sollen.
    Almarik aber hatte nicht vor, ihn umzubringen. Er führte den Befehl des Magiers aus, und der lautete zweifellos, Tarik lebend in seine Gewalt zu bringen, um ihn nach Skarabapur zu schaffen, ihn und das Wesen in seinem Inneren.
    Tarik lächelte grimmig. Umso leichter würde es sein, den Byzantiner zu töten.
    Während Ifranji am Boden lag und nach Luft schnappte, standen sich die beiden Männer keuchend gegenüber, leicht vorgebeugt, keine zwei Schritt voneinander entfernt, beide angeschlagen, aber nicht bereit, einen Fußbreit zurückzuweichen. Neben ihnen klaffte der Abgrund, nah genug, um sie mit seinem gefährlichen Sog zu packen, wenn sie nicht Acht gaben.
    Ein zorniges Brüllen ertönte und kam rasch immer näher. Der Glasboden bebte.
    Almarik stieß ein resigniertes Seufzen aus, blickte über die Schulter – und sah Nachtgesicht heranstürmen, nur einen Augenblick, bevor der massige Schwarze auch schon gegen ihn prallte. Almarik wurde vorwärts geschleudert, genau auf Tarik zu, der einen Schritt nach hinten stolperte, aber nicht mehr ausweichen konnte. Während ihn der Byzantiner zu Boden riss, stieß Tarik mit den Fersen gegen Ifranji, fiel über sie hinweg, bekam zugleich Almariks ganzes Gewicht zu spüren und keinen Herzschlag später auch noch das des Afrikaners.
    Ein Knie bohrte sich in seinen Magen. Er drehte sich gerade noch weit genug zur Seite, um Ifranji nicht unter ihrer aller Gewicht zu zerquetschen. Dabei krachte er mit den Schultern auf den Boden. Schmerz breitete sich schlagartig in seinem Oberkörper aus, sein Brustkorb wurde zusammengepresst, jemand schrie – dann stieß etwas ungeheuer Schweres gegen sein Gesicht, schleuderte seinen Kopf zurück und hämmerte ihn mit grausamer Gewalt nach hinten auf das Glas. Der Schwung trieb ihn weiter, auf die Kante zu und ins Leere.
    Er fiel für lange Zeit und erwartete den Aufschlag.

 
Scherbensteg
     
     
    Tarik fantasierte vom Fallen, bis er erwachte.
    Fesseln waren eng um seinen Körper gezurrt, seine Hände nach hinten gebunden. Er lag auf dem Rücken, auf seinen geballten Fäusten, und noch bevor er sein gesundes Auge öffnete, spreizte er unter sich die Finger. Der Schmerz in seinen Lenden ließ ein wenig nach.
    Über ihm wölbte sich der offene Himmel, ein Strom aus leuchtendem Indigo und verschlungenen Nebelschwaden. Unter ihm war ein Teppich, nicht sein eigener. Seine Hände waren fest an seinen Körper gebunden, aber er konnte das Knüpfwerk ertasten.
    Mit einem Ächzen gelang es ihm, den Kopf zu heben und an sich hinabzublicken. Er lag ausgestreckt auf Almariks schmalem Gardeteppich. Wenn er sich bewegte, lief er Gefahr, rechts oder links herabzurollen. Weiter vorn, zwei Schritt von seinen Füßen entfernt, sah er die Silhouette des Byzantiners vor dem Sonnenuntergang im Westen. Unmittelbar hinter Almarik waren sein Vorratsbündel und noch etwas anderes auf dem Knüpfwerk festgebunden – Tariks eigener Teppich, ordentlich aufgerollt und verschnürt.
    Links von ihnen zog die grüne Glaskante vorüber. Sie befanden sich mindestens zwanzig Meter über dem Boden, viel zu hoch, um einen Sturz in Kauf zu nehmen.
    Almarik drehte den Oberkörper, ohne seine Hand aus dem Muster zu nehmen. Tarik konnte im Gegenlicht sein Gesicht nicht erkennen, aber er hörte am Tonfall, dass der Ifritjäger grinste.
    »Gerade rechtzeitig«, sagte er. »Die Brücke sollte gleich auftauchen.

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