Sturmkönige 03 - Glutsand
reflektierten. Weil die Brücke nicht für Wesen geschaffen war, die den Weg zu Fuß zurücklegen mussten, war es nicht nötig gewesen, eine ebene Oberfläche zu schaffen. Genau wie die fliegenden Teppiche brauchten die Dschinne lediglich einen festen Untergrund, um über den bodenlosen Abgrund zu schweben.
Nachtgesicht lenkte den Teppich, den er sich mit seiner Schwester teilte, neben Almarik. Tarik sah die beiden zum ersten Mal seit seinem Erwachen. Ifranji trug einen Kopfverband aus einem Streifen vom Gewand ihres Bruders und warf dem Byzantiner hasserfüllte Blicke zu.
Tarik wandte sich an Almarik. »Was hat dich davon abgehalten, sie zu töten?«
Almarik lachte leise. »Solange ich in Khalis’ Diensten stehe, gibt es für mich keine persönliche Feindschaft. Mit niemandem.«
Tarik sah in die andere Richtung und entdeckte den Teppich des Magiers rechts von ihnen. Khalis starrte angespannt auf den Scherbensteg. Zu neblig, selbst bei Tag, um das andere Ende zu erkennen. In der Abenddämmerung schien es, als führte die Brücke ins Nichts.
Khalis lag nichts an den Geschwistern, daraus hatte er keinen Hehl gemacht. Wenn er Almarik dennoch befohlen hatte, die beiden zu verschonen, musste er einen Grund dafür haben. Hatte er verhindern wollen, dass Tarik später bei dem Versuch zu Tode käme, Nachtgesicht und Ifranji zu rächen? Auch das sprach für die These, dass er dem Narbennarren versprochen hatte, ihn unbeschadet nach Skarabapur zu bringen. Offenbar war Amaryllis’ Wohlergehen auf Gedeih und Verderb an Tariks Überleben gebunden.
Leises Gelächter, tief in seinem Verstand, erschien ihm wie eine Antwort auf seine Fragen.
Khalis wies voraus auf die gläserne Brücke. »Verschwenden wir keine Zeit.«
»Du willst im Dunkeln dort rüberfliegen?« Tarik stieß ein bitteres Lachen aus. »Wir hätten uns eine Menge Ärger ersparen können, wenn wir uns gleich ins Maul der Riesenschlange gestürzt hätten.«
»Keine gute Idee«, pflichtete ihm Nachtgesicht bei, wohl in der Hoffnung, dass sein Wort als ehemaliger Karawanenführer noch ein wenig Gewicht hatte. »Ohne zu wissen, was uns am anderen Ende erwartet – oder unterwegs?«
Almarik blickte stur geradeaus. »Es sieht nicht aus, als gäbe es Wächter.«
»Weil wahrscheinlich gar keine nötig sind«, sagte Ifranji. »Wer weiß, was sich in diesem Nebel herumtreibt und nur darauf wartet, dass jemand dumm genug ist, sich dort hinauszuwagen. Erst recht im Dunkeln.«
»Die Dschinne selbst müssen diese Brücke benutzt haben«, widersprach Khalis.
Tariks Fesseln saßen fest genug, um ihm bei jeder Bewegung Körperteile abzuschnüren. »Sie werden sich nicht umsonst solche Mühe gegeben haben, die Glasscholle zum Fliegen zu bringen.«
Darauf herrschte eine Weile lang unentschlossenes Schweigen, ehe Khalis den Kopf schüttelte. »Wir versuchen es.«
»Das ist Wahnsinn!«, rief Nachtgesicht aus.
Der Magier schenkte ihm einen kalten Seitenblick. »Niemand zwingt dich, mitzukommen.«
Ifranji stieß ihren Bruder an und flüsterte etwas. Offenbar war sie derselben Meinung. Tarik konnte es ihr nicht verübeln. Die beiden redeten leise miteinander, während Almarik den Sitz seiner Waffen überprüfte. Den Helm hatte er verloren, aber er trug nun zwei Schwerter gekreuzt über dem Rücken und einen Dolch am Gürtel. Seine Bewegungen waren konzentriert und gewissenhaft. Tarik fragte sich, was geschehen musste, um den Mistkerl aus der Ruhe zu bringen.
»Almarik«, entschied Khalis, »du fliegst voraus.«
Der Byzantiner nickte.
Ob Sabatea bereits zurückgekehrt war und vergeblich nach ihnen Ausschau hielt? Das Elfenbeinpferd konnte sie in Höhen tragen, in denen sie vor den Dschinnen sicher war. Aber das bewahrte sie nicht vor Schwarmschrecken und Sandfaltern, ganz zu schweigen von anderen Kreaturen dieses Alptraumlands.
»Dann bilden wir wohl den Abschluss«, sagte Nachtgesicht resigniert.
Tarik blickte zu den beiden hinüber. Er erwartete, dass Ifranji erneut widersprechen würde, doch die Diebin schwieg. Wenn Skarabapur das Ziel eines jeden Menschen war, womöglich gar für jeden ein anders geartetes Ziel, eine andere Stadt – was erhoffte sich dann Ifranji dort? Eine Diebesbeute, Berge von Gold und Geschmeide? Nachtgesicht hatte sich bereit erklärt, die Expedition nach Süden zu begleiten, um seine Schwester aus Bagdad fortzubringen. Im Dschinnland zu leben, um nicht in Bagdad zu sterben – das war nur der Tausch des einen Unglücks gegen ein anderes. Mit
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