Sturmkönige 03 - Glutsand
schärfte er mit stoischer Ruhe seine Klingen. Das Geräusch von Stein auf Stahl brach ab, als er den Kopf hob und den riesigen Afrikaner ansah.
»Über den Abgrund!«, rief Nachtgesicht und klopfte sich Staub vom Gewand. Hinter ihm erhob sich Ifranji und streckte sich. Als sie ihre Zöpfe schüttelte, stoben graue Wolken auf.
»Wohin führt sie?«, fragte Khalis. Der Magier hatte sich nach anfänglichen Reden über die mögliche Natur Skarabapurs, die bodenlose Tiefe jenseits der Kante und den Dritten Wunsch darauf verlegt, schweigend auf und ab zu wandern. Tariks Meinung über die Zauberkräfte des alten Mannes war am Tiefpunkt angelangt. Weder reichte seine Macht, sie über den Abgrund zu tragen, noch brachte er es fertig, Sabatea dort draußen aufzuspüren. Durch Zauberei oder Gedankenkraft oder weiß der Teufel was – Tarik war es einerlei. Er hätte der Dschahannam selbst einen Besuch abgestattet, hätte man ihm als Lohn dafür ein Lebenszeichen von Sabatea in Aussicht gestellt.
»Wohin?« Nachtgesicht riss die Hände in die Höhe. »Was, bitte, hätten wir in den paar Stunden denn noch herausfinden sollen?«
Tarik beobachtete einen dunklen Schemen in der Tiefe, der sich gemächlich auf die Glaskante zuschob und dann in weitem Bogen umkehrte. Es hätte ein Wolkenschatten sein können, der auf die Oberfläche des Nebels fiel – wären am Himmel irgendwelche Wolken zu sehen gewesen.
Ifranji packte die Enden des Teppichs, zerrte ihn vom Glasboden und schüttelte ihn aus. Noch mehr Wüstenstaub, der von den Winden über die Glasebene getragen wurde. Sie sah wütend aus; das war nichts Neues. Dass sie jedoch ihre Laune an dem Teppich ausließ war für ihre Verhältnisse fast schon ein Akt der Diplomatie.
Khalis seufzte leise. »Das habt ihr gut gemacht«, sagte er, um die Wogen des aufkommenden Streits zu glätten. »Diese Brücke – wie sieht sie aus?«
»Sie ist aus Glas«, entgegnete Nachtgesicht. »Keine große Überraschung, was? Eine Kette aus riesigen Glasscherben, die irgendwie… na ja, aneinanderkleben.«
Almarik rieb gelassen den Schleifstein über das Schwert und verzog das Gesicht. »Klingt wirklich wie etwas, auf das ich gern meinen Fuß setzen würde.«
»Nicht, dass wir dich aufhalten würden«, sagte Ifranji, »aber davon war gar keine Rede. Wir haben es ausprobiert:
Der Teppich fliegt über die Brücke hinweg. Das Muster akzeptiert ihn als festen Untergrund.«
Khalis’ Miene hellte sich auf. »Das ist in der Tat eine gute Neuigkeit!«
Tarik starrte über den Nebel. Kein Anzeichen von dem Elfenbeinpferd. Nicht der winzigste dunkle Punkt in der Ferne. »Im Augenblick hilft uns das nicht weiter.«
»Vielleicht führt die Brücke nach Skarabapur«, sagte Khalis.
Tarik schüttelte den Kopf. »Ihr habt gesehen, was die Dschinne aus Glas zustande bringen. Wenn wir dieser Brücke folgen, werden wir mitten in ihrem verfluchten Nest landen.«
»Wo sonst«, fragte Khalis mit großer Gebärde, »werden sie wohl den Dritten Wunsch aufbewahren?«
»Wir bleiben hier«, sagte Tarik ruhig, »bis Sabatea zurückgekehrt ist.« Aus dem Augenwinkel sah er, dass die anderen sich ihm zuwandten.
»Da hat er Recht«, stimmte Nachtgesicht zu. »Warten wir ab, bis sie wieder da ist, und dann -«
»Was, wenn sie nicht zurückkehrt?«, unterbrach ihn Almarik. Auch er sprach leise, ohne eine Spur von Erregung in der Stimme.
Tarik gab keine Antwort.
Khalis wanderte hinüber zum Schrein mit den beiden leblosen Körpern. Einer seiner Zauber schien die größte Hitze von ihnen fernzuhalten, und doch trieben flockige Punkte durch den Honig. Die Gesichter der Frauen sahen noch wächserner aus als zuvor. Tarik glaubte längst nicht mehr daran, dass er Maryam einen Gefallen tat, wenn er sie zurück ins Leben holte.
»Wir warten schon seit Stunden«, sagte Khalis und gab sich kaum Mühe, seine Ungeduld zu verbergen.
»Du wartest seit Jahren«, erwiderte Tarik. »Du solltest allmählich genug Erfahrung damit haben.«
Ifranji stand neben Nachtgesicht. Ihre Haltung hatte etwas Lauerndes. Sie besaß ein ausgeprägtes Gespür für Gefahr, und womöglich hatte sie die Spannung in der Luft als Erste gespürt. Als ihr Bruder sie hinter sich schieben wollte, schüttelte sie schroff seine Hand ab. Ihr Blick strich katzenhaft zwischen den Männern umher. Sie blieb stumm, aber ihre Krallen waren ausgefahren.
»Wie lange ist sie jetzt weg?«, fragte Khalis. »Wie oft hast du die Sanduhr umgedreht?«
»Vier Mal«, sagte
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