Sturmkönige 03 - Glutsand
Befehle an Almarik oder durch Drohungen gegen Tarik. Doch dazu war es zu spät.
Der Byzantiner kniete am Boden und versuchte, die nässenden Wunden mit den verstreuten Überresten von Tariks Fesseln abzubinden. Tarik stolperte derweil auf eine der Waffen zu, die Almarik verloren hatte. Mit einem klirrenden Laut zog er sie vom Glas und wog sie einen Moment lang in der Hand.
Almarik hatte endlich einen der beiden verstümmelten Finger mit der unverletzten Hand und den Zähnen abgeschnürt. Nun aber ließ er das zweite Strickende los, ungeachtet des Blutverlusts, und blickte Tarik entgegen. Blut war als schwarzroter Fächer über sein Gesicht gespritzt. Aber nicht einmal diese Kriegsmaske konnte den rasenden Zorn in seiner Miene verbergen. Beide Männer wussten, dass Almarik mit der verletzten Hand nie wieder einen Teppich lenken würde.
»Bring es zu Ende«, knurrte er.
»Nein!«, ertönte da die Stimme des Magiers. Tarik schaute sich widerwillig um und musste dem Alten zugestehen, dass er durchaus noch immer für die ein oder andere Überraschung gut war.
Khalis schwebte aufrecht in der Luft. Er hatte seinen Teppich und den Honigschrein auf dem übernächsten Bruchstück zurückgelassen und trieb nun aufrecht, ohne sichtbares Hilfsmittel, über die verwinkelten Glasfacetten auf Tarik und Almarik zu. Er überquerte die Vertiefung, in der Nachtgesicht und Ifranji aufgekommen waren. Auch die beiden blickten besorgt zu ihm auf. Seine staubigen Gewänder wellten sich in den Winden aus dem Abgrund, und seine Augenpartie lag unter dem Rand seines Turbans im Schatten.
»Das muss aufhören!«, rief er, als er unweit von Tarik und Almarik in der Luft stehen blieb. Ein unnatürlicher Glanz lag um seinen Körper, als flösse das Licht des Mondes mit einem Mal durch seine Adern und verliehe seinem hageren Körper eine eisige Lumineszenz.
»Ja«, entgegnete Tarik, »und es wird aufhören.« Mit dem Schwert in der Hand wandte er sich wieder Almarik zu. Der Byzantiner hatte nun auch den zweiten Finger abgebunden, aber nur notdürftig, und noch immer rann frisches Blut über seinen Handrücken und unter die Ärmel des silberschwarzen Kettengewebes. Jetzt richtete er sich auf, blieb schwer atmend stehen, den Oberkörper leicht vorgebeugt. Tarik wusste, dass ein Mann wie er auch verletzt weiterkämpfen konnte. Der Schock der abgetrennten Finger verebbte bereits, die Verbissenheit kehrte zurück in seine Züge.
»Mach schon«, knurrte der Byzantiner.
»Nein«, widersprach Khalis erneut, und diesmal war da etwas in seiner Stimme, das Tarik zögern ließ. Ein grollender Unterton. Es dauerte einen Moment, ehe ihm klar wurde, dass der Magier einen subtilen Zauber wirkte, um ihn von Almarik fernzuhalten.
Tarik lächelte. Wollte weitergehen.
Und konnte es nicht.
Seine Füße gehorchten ihm nicht, erbebten nur, als er einen weiteren Schritt machen wollte.
Ein wölfisches Grinsen erschien auf Almariks Zügen. Er machte einen taumelnden Schritt, ließ den verwundeten Arm achtlos herabbaumeln und fischte mit der rechten Hand das zweite Schwert vom Boden.
»Warte!«, befahl ihm Khalis.
»Jetzt nicht, alter Mann.«
»Noch gehörst du mir!«
Almarik nickte mühsam. »Und ich werde tun, was das Beste für dich ist. Ich töte diesen Hundesohn.«
Tarik versuchte, das Schwert zu heben, um den Angriff abzuwehren, aber auch sein Arm versagte ihm den Dienst. Er flüsterte einen Fluch in Khalis’ Richtung und versuchte, all seinen Willen aufbringen, um sich gegen den Einfluss des Magiers zu sperren.
»Du wirst ihm kein Haar krümmen«, sagte Khalis zu Almarik. »Wir brauchen ihn noch.«
Der Byzantiner blieb stehen, sah von Tarik hinauf zu dem schwebenden Magier. Das Blut in den Falten seiner gerunzelten Stirn erschien noch dunkler als der Rest seines Gesichts. Weder ihm noch Tarik entging, dass die Züge des alten Mannes zitterten. Selbst so einfache Zauber wie jene, die er gerade anwandte, zehrten zusehends an seinen Kräften.
Hatte er sich in dem Wüstensturm verausgabt? Oder war es der Schrein, der die ganze Macht des Magiers aufbrauchte? Der Schutz vor der Hitze, der unzerbrechliche Kristall, das Aufhalten der Verwesung? Das alles musste ihn viel Kraft kosten. Vielleicht war Khalis doch noch sehr viel mächtiger, als Tarik angenommen hatte. Nur war all seine Macht im Schrein gebündelt, in der verzweifelten Hoffnung, seiner Tochter schon bald neues Leben zu schenken.
Ist es das, was du ihm versprochen hast?, fragte er stumm den
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