Sturmkönige 03 - Glutsand
tiefer ins Muster. Aber Tariks Befehl zeigte bereits Wirkung. Es spielte kaum eine Rolle, wozu er den Teppich aufgefordert hatte – wichtig war nur, dass das Knüpfwerk sich der Kontrolle zweier so dominanter Reiter widersetzte: Ein Zittern lief durch den Teppich, seine Stabilität ließ nach. Zugleich geriet er aus der Balance, erst kaum merklich, dann jedoch so heftig, dass sich das lange Band nach rechts neigte, dabei eine Kurve flog und auf den Rand des Scherbenstegs zuhielt. Tarik rollte herum, das Muster entglitt seinen Fingern. Er verlagerte sein Gewicht, um den Sturz über den Rand hinauszuzögern. Es gelang ihm gerade lange genug, um nicht auf die scheußliche Glasschneide zu fallen, die unter ihnen vorüberwischte.
Dann aber verlor er seinen letzten Halt, wurde abgeworfen und prallte seitlich in eine Vertiefung zwischen zwei Riesenscherben, in den V-förmigen Einschnitt, wo die beiden Ränder aneinanderstießen und verschmolzen waren. Der Teppich befand sich keine Mannslänge mehr über dem Glas, das Schaukeln und Beben hatte ihn verlangsamt. Beim Aufprall schrie Tarik schmerzerfüllt auf. Trotzdem war es weniger schlimm, als er erwartet hatte. Er stieß sich all die Prellungen vom Kampf gegen Almarik von Neuem an, bekam kurzzeitig keine Luft mehr, erholte sich aber rasch genug, um in der Dunkelheit den schwankenden Teppich auszumachen.
Der Byzantiner fluchte lauthals, als der Gardeteppich an Festigkeit verlor. Wellen wanderten von hinten auf ihn zu. Während Almarik geradewegs auf den Rand der Brücke zuflog, wurde das Teppichband unter ihm immer nachgiebiger.
Tarik stieß sich mit den Füßen von einer schrägen Glasfläche ab. Rückwärts schob er sich die gegenüberliegende Neigung hinauf, bis er unter seinem Rücken eine scharfe Kante spürte. Ihm blieb keine Zeit, um vorsichtig zu sein. Er atmete einmal tief durch und bewegte sich dann über den Kamm, spürte die straff gespannten Stricke zerspringen, zugleich aber auch Glas in seine Haut schneiden. Er achtete nicht auf den Schmerz, nicht auf das dünne Blutrinnsal, das im Dunkeln fast schwarz das Glas hinabrann. Hastig befreite er sich von den Fesseln und sah im selben Moment, wie Almarik vom Teppich sprang.
Während das Knüpfwerk zitternd zu Boden fiel, unweit des Brückenrands, kam der Byzantiner mit beiden Füßen auf, schwankte kurz, fand seinen Halt wieder – und stürmte mit einem zornigen Aufschrei auf Tarik zu.
Der Boden war zu uneben, um in gerader Linie zu laufen, und auch Almarik besaß bei aller Wut genug gesunden Menschenverstand, um sich vor den Bruchkanten in Acht zu nehmen. Darum brauchte er lange genug für die wenigen Meter, um Tarik Zeit zu geben, sich ebenfalls aufzurichten. Breitbeinig, mit geballten Fäusten, erwartete er den Angriff seines Gegners.
Almariks Geduld war endgültig am Ende. Im Laufen riss er beide Schwerter aus den gekreuzten Scheiden auf seinem Rücken. Was er vorhin über persönliche Rache gesagt hatte, war bedeutungslos geworden. Er hatte Tarik satt, und Tarik konnte es ihm nicht verübeln.
Nachtgesicht hielt seitlich im Tiefflug auf den Byzantiner zu und rammte ihn, als er keine drei Meter mehr von Tarik entfernt war. Noch mehr Geschrei, jetzt auch aus Ifranjis Mund, die bei dem Aufprall fast ihren Halt verlor, seitlich vom Teppich zu kippen drohte – und im letzten Augenblick von Nachtgesichts Pranke gepackt und festgehalten wurde. Almarik stürzte, verlor das Schwert aus der rechten Hand, als er mit dem Ellbogen auf steinhartes Glas krachte, wollte sich mit der Linken abstützen, ließ dabei auch die zweite Waffe los – und griff in eine der rasiermesserscharfen Bruchkanten.
Sein Schrei gellte durch die Nacht, als er sich die Kuppen von Zeige- und Mittelfinger abschnitt. Noch während er sich herumwarf, um nicht mit dem Kopf aufzuschlagen, riss er den linken Arm an die Brust. Wie hypnotisiert starrte er auf das Blut, das aus den beiden Wunden pumpte.
Nachtgesicht hatte durch den Aufprall die Kontrolle über seinen Teppich verloren. Mehr schlecht als recht brachte er ihn zu Boden. Ifranji und er schlitterten die nächste Schräge hinab und kamen in einer der seichten Glassenken auf.
Hinter ihnen, auf einer ebenen Facette eines benachbarten Glasbruchstücks, landete auch Khalis seinen Teppich. Tarik war nicht sicher, weshalb er das tat – bis er erkannte, dass der Magier einem Irrtum unterlag. Offenbar glaubte er noch immer, den Streit zwischen den Männern schlichten zu können, sei es durch
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