Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Rippen gebrochen hatte. Er war ein Wrack, und er wusste es.
    Aber verloren hatten sie beide.
    Tarik machte einen Schritt von der Kante des Bruchstücks fort, damit Almarik nicht auf die Idee käme, ihn in den Abgrund zu stoßen. Sie waren allein auf der Scherbe. Das gläserne Bruchstück mochte kaum zehn mal zehn Meter messen. Noch immer entdeckte er neue Risse und Spalten. Wenn sie mit einem anderen Trümmerbrocken der Brücke kollidierten, würde sich die Scherbe abermals teilen, womöglich mehrfach.
    Er spähte hinüber zum nächsten treibenden Glaskristall, suchte nach Khalis und fand ihn nicht. Dafür entdeckte er etwas anderes. Dort lag, auf einer Schräge flach ausgebreitet, der Teppich der Geschwister. Was auch immer aus Nachtgesicht und Ifranji unten im Abgrund geworden war – sie brauchten ihn nicht mehr.
    Ohne sich nach Almarik umzusehen, setzte er sich in Bewegung. Er rutschte und schlitterte über die Facetten, riss sich mehrfach fast die Waden an den scharfen Glasschneiden auf und erreichte den Rand, der dem benachbarten Bruchstück am nächsten lag.
    Die beiden Glastrümmer trieben behäbig aufeinander zu. Er musste nur warten, bis sie sich berührten, genau den Moment abpassen – dann ein Sprung hinüber, und er hätte zumindest wieder einen fliegenden Teppich. Sein eigener war zusammengerollt und verschnürt auf dem des Byzantiners zurückgeblieben, auf einem anderen Trümmerstück, das sich von ihrem abgespalten hatte und in die entgegengesetzte Richtung abtrieb. Es tat ihm leid darum, immerhin war es das Knüpfwerk seines Vaters gewesen; aber dies war nicht der Zeitpunkt, um sentimental zu werden.
    Nur abwarten. Springen.
    Hinter ihm näherten sich schleifende Schritte.
    Der Byzantiner trat neben Tarik an die Kante, drei Schritt entfernt. Er blickte nicht herüber, hob nur schwerfällig die verletzte Hand und deutete mit den verstümmelten Fingern in die Nacht.
    »Das dort drüben – das sind keine Teppiche, oder?«
    Tarik folgte Almariks Blick in die Ferne.
    Dort näherten sich mehrere dunkle Punkte, ein ganzes Knäuel aus Umrissen. Der Dunst verbarg ihre Formen. Nur dann und wann erhellte der matte Schimmer des Mondes Einzelheiten.
    »Keine Teppiche«, bestätigte Tarik müde.
    Es waren viele, mindestens ein Dutzend. Als ihre Flügel Dunstschwaden auseinandertrieben, schien sich ihre Zahl zu verdoppeln. Tarik hörte bei zwanzig mit dem Zählen auf.
    Die beiden Männer sahen einander an. Almarik nickte.
    »Schwarmschrecken.«

 
Zwei am Abgrund
     
     
    Die Schrecken kamen von Süden, wichen surrend wie Schmeißfliegen den treibenden Brückentrümmern aus, warfen im Mondlicht vielbeinige Schatten und Spiegelbilder auf glänzende Glasfacetten. Noch waren sie weit entfernt. Offenbar suchten sie nach der Ursache der Zerstörung. Sie hatten die beiden Männer auf dem Bruchstück noch nicht entdeckt.
    Almarik und Tarik hatten sich erschöpft nebeneinander an der Kante des Glasbrockens niedergelassen. Sie saßen da wie alte Freunde, die ein letztes Mal gemeinsam den Ausblick genossen.
    »Ich muss mich noch bei dir bedanken«, sagte Tarik. »Dafür, dass du mir geholfen hast, nachdem sie mich aus dem Palast geworfen hatten.«
    Almarik zeigte auf Tariks verdecktes Auge. »Die Augenklappe… weißt du, woher ich die hatte?«
    »Von einem Leprakranken?«
    »Von einer Hure im Diebesviertel«, sagte der Byzantiner. »Nur noch ein Auge, keine Zähne. Auch nur ein Bein, übrigens.«
    »Dann konnte sie dein Geld wahrscheinlich gut gebrauchen.«
    »Ich hab ihr das Ding gestohlen.«
    »Du hast eine einbeinige Hure bestohlen?«
    »Das war das einzige Teil, das sie nicht ausziehen wollte.«
    Tarik hob amüsiert eine Augenbraue. »Du bist ein noch viel größerer Scheißkerl, als ich dachte.«
    »Sie braucht dein Mitleid nicht. Ihre Geschäfte gingen nicht schlecht.«
    Wieder schwiegen sie eine Weile und blickten den Schwarmschrecken entgegen. Die Rieseninsekten ließen sich Zeit. Sie schienen jedes Glasbruchstück einzeln zu erkunden.
    »Wir haben keine Waffen mehr«, stellte Tarik fest.
    Almarik zog einen schmalen, ungewöhnlich langen Dolch aus einer eingenähten Scheide am Hosenbein. »Nur den hier.« Er wog die Klinge in der Hand, als könnte er sich nicht entscheiden, was er damit tun sollte.
    Tarik sah den Dolch an, dann Almarik. Er wartete ab.
    »Hat mir schon gute Dienste geleistet«, sagte der Ifritjäger.
    »Sieht ganz danach aus.«
    Almarik nahm die Spitze zwischen Daumen und Zeigefinger und

Weitere Kostenlose Bücher