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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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balancierte die Waffe einen Moment lang senkrecht vor seinem Gesicht. Dann schleuderte er sie mit einem Schulterzucken über den Rand des Bruchstücks in den Abgrund.
    »Nun schulde ich dir zum zweiten Mal Dank«, sagte Tarik.
    »Weil ich dich nicht damit angegriffen habe?«
    »Nicht, dass es noch einen Unterschied macht.«
    Almarik zurrte mit den Zähnen den Strick um einen seiner Fingerstümpfe fester. »Ich muss dich etwas fragen.«
    »Noch haben wir Zeit.«
    »Die Tote in der Wüste… die bei deinem Bruder war.«
    »Maryam.«
    »Was hat sie dir bedeutet?«
    »Viel, früher einmal.«
    »Bevor du der Vorkosterin begegnet bist?«
    »Es ist komplizierter als das.«
    »Aber dein Bruder, er hat mehr um sie getrauert als du.«
    »Ich hatte sechs Jahre Zeit, um mit ihrem Tod fertig zu werden. Dabei war sie am Leben, all die Jahre lang. Und dann sehe ich sie wieder, und sie ist tot, aber nicht seit sechs Jahren, sondern erst seit einer Stunde.«
    »Das kann einem zu schaffen machen, schätze ich.«
    »Ohne Sabatea wäre es schlimmer gewesen.«
    Almarik verengte die Augen, um die Schwarmschrecken besser erkennen zu können. »Du glaubst nicht, dass sie tot ist, oder? Sabatea, meine ich.«
    »Ich werde nie wieder glauben, dass jemand tot ist, solange ich nicht mit eigenen Augen die Leiche gesehen habe.«
    »Und Khalis’ Tochter? Ist sie tot?«
    »Ich denke schon.«
    »Er jedenfalls glaubt nicht daran.«
    »Weil er die Augen vor der Wahrheit verschließt.«
    »Der alte Mann ist kein Dummkopf.«
    »Der Angriff auf Ifranji war jedenfalls kein strategisches Meisterstück.«
    Almarik stöhnte leise, als ihn erneut eine Welle von Schmerz durchlief. »Er ist nirgends zu sehen. Glaubst du, er ist abgestürzt?«
    »Die andere Möglichkeit wäre, dass er auf einem dieser Brocken festsitzt wie wir. Nur dass ihm vermutlich langweiliger ist.« Tarik lehnte sich zurück, legte den Rücken auf das kühle Glas und verschränkte die Hände unterm Hinterkopf. Er wünschte sich, die Sonne schiene über ihnen am Himmel. Stattdessen hing dort nur ein verschwommener, gelbstichiger Mond.
    Almarik betrachtete seine verstümmelten Finger mit distanziertem Interesse. »Ich denke, Khalis hat die Wahrheit gesagt. Über Qatum, die Welt in der Flasche, die Spaltung… all das. Das waren keine Lügen.«
    »Aber die Welt interessiert ihn einen Dreck. Solange er nur einen Weg findet, seine Tochter wieder zum Leben zu erwecken.« Tarik atmete tief durch, weil ihm klar wurde, dass mit seinem eigenen Tod auch der des Narbennarren besiegelt war. Und damit auch das Ende des Pakts zwischen Khalis und Amaryllis. »Glaubst du, er hat sich ein einziges Mal gefragt, ob sie es gewollt hätte?«
    »Wer weiß.«
    »Ich habe es mich gefragt«, sagte Tarik. »Ob ich das Versprechen an meinen Bruder wirklich erfüllen und Maryam zurückholen würde, wenn es eine Möglichkeit gäbe.«
    »Und du hast dich dagegen entschieden?«
    »Khalis hätte das Gleiche tun müssen.«
    »Mit dem Unterschied, dass er die Schuld am Tod seiner Tochter trägt. Das kann einen blind machen für viele Dinge.«
    Tarik dachte ohne Wehmut an seine letzten Jahre in Samarkand zurück. »Mag sein.«
    Almarik wies mit dem Kinn nach Süden. »Sie werden gleich hier sein.«
    Tarik setzte sich wieder aufrecht. »Ein Sturm kommt auf.«
    »Das sind ihre Flügel.«
    Er sah die Schwarmschrecken jetzt ebenfalls deutlich, die vorderen keine zweihundert Meter entfernt. Noch immer wurden sie dann und wann in der Dunkelheit wieder unsichtbar. Ihre Libellenschwingen wirbelten die Nebelwolken auf, wenn sie ihnen zu nahe kamen, und trieben sie wie eine Geisterarmee vor sich her.
    »Dann ist es bald so weit«, sagte Tarik.
    Almarik verzog das Gesicht. »Vielleicht sollten wir aufstehen, um sie zu erwarten.«
    Tarik nickte und erhob sich mit einem Ächzen. Seine Schnittwunden und Prellungen schmerzten. Er streckte Almarik eine Hand entgegen. Der Byzantiner ergriff sie und ließ sich auf die Beine ziehen. Er sah nicht aus, als könnte er lange so stehen bleiben.
    »Wenn es dir nichts ausmacht…«, sagte er.
    Tarik schüttelte den Kopf, schob einen Arm unter Almariks Achseln und stützte ihn.
    »So dürfte es gehen«, sagte der Ifritjäger.
    Die Schwarmschrecken entdeckten sie und stürzten sich auf sie.

 
Nebelritt
     
     
    Manche Menschen schauen beim Gehen zu Boden. Andere starren stur nach vorn. Tarik aber hatte von klein auf nach oben gesehen, hinauf in die Weiten des Himmels.
    Er tat es auch jetzt, als die

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