Sturmkönige 03 - Glutsand
aufgebläht. »Zu gefährlich.«
Tarik fluchte leise.
»Und Nachtgesicht?« Sabateas Blick folgte der Spur des Sturms. Die Sandschneise führte unter dem Kokon hindurch und verlor sich in der Ferne in glühendem Dunstflimmern.
»Sturmkönige wissen, wie man im Dschinnland überlebt«, sagte Tarik.
»Und warum ist dann Nachtgesicht der Letzte, der noch am Leben ist?«
»Er wird wieder auftauchen.« Mit einem Mal war ihm, als würden ihm die Worte von einem anderen vorgegeben. »Je schneller wir Skarabapur erreichen, desto besser.«
Verwundert sah sie über die Schulter. »Ist das dein Ernst?«
Tarik rang mit dem, was sich da immer deutlicher in ihm manifestierte. Es fühlte sich an wie eine Faust, die die Worte durch seine Kehle nach oben stieß. Er konnte sie mit Mühe zurückhalten, aber er brachte keinen Widerspruch zustande. Hitze stieg in ihm auf, dann ein Zittern wie von Schüttelfrost.
»Was ist los mit dir?«, wollte sie wissen.
Tarik wich ihrem Blick aus.
Der Roch wies erneut mit der Lanze in die Richtung der Neststadt. »Umkehren!«
Sabatea zögerte noch, dann gab sie nach. »Wie ihr wollt.« Sie beugte sich vor und raunte dem Elfeinbeinpferd etwas ins Ohr. Mit einigen schnellen Schwingenschlägen drehte es bei und galoppierte an der Spitze der Gruppe zurück.
Sie sprachen nicht, bis sie die Felsspalten unter sich sahen. Da erst brachte Tarik wieder eigene Worte heraus, und sie klangen brüchig wie die eines Kranken.
»Er wird stärker«, flüsterte er.
»Der Narbennarr?«
Die Antwort blieb er ihr abermals schuldig.
Gefangene
»Also«, fragte sie, »was ist los?«
Tarik kauerte mit angezogenen Beinen an der Wand einer düsteren Nesthöhle und starrte zwischen seinen Knien zu Boden. Er war wütend auf sich, auf die Roch, sogar auf Sabatea. Er suchte in sich nach den Gründen, aber alles, was er fand, war pochende, pulsierende Aggression. Als wäre sein altes Ich, der Tarik der verschwendeten letzten Jahre in Samarkand, auf einen Schlag zurückgekehrt, zorniger und bitterer als jemals zuvor.
Er hob langsam den Kopf und blickte zu ihr auf. Sah ein schattenhaftes Erschrecken in ihren Augen, dann noch größere Sorge.
»Zum Teufel, was ist los mit dir?« Mit Besorgnis konnte sie so wenig umgehen wie er selbst, was wie immer hilflose Wut daraus machte.
»Wir sitzen untätig in diesem Loch, während Skarabapur zum Greifen nahe ist.« Er legte den Kopf in den Nacken, an die kühle Oberfläche der Nestwand. »Dieser Ort macht mich wahnsinnig.«
»Wir sind nicht hier, weil es mir so gut gefällt«, erinnerte sie ihn gereizt.
Er schloss das gesunde Auge, hatte aber das Gefühl, dass er mit dem anderen noch immer etwas sah. Ein waberndes Glimmen in der Schwärze hinter der Augenklappe, das ganz allmählich näher kam und heller wurde. Aber sobald er versuchte, es zu erforschen, wurden seine Gedanken blockiert. Als hielte ihn etwas davon ab, sich damit zu beschäftigen und die Konsequenzen durchzuspielen.
Nach ihrer Rückkehr waren sie von den Roch mehrere Treppen und Stege an der Innenwand der größten Felsspalte hinabgeführt worden. Jede Wand, jedes Geländer, selbst die Sammelbecken für Trinkwasser bestanden aus dem gehärteten, strähnigen Material, mit dem die Roch seit jeher ihre Behausungen errichteten. Die Struktur erinnerte unwillkürlich an Wespennester und Termitenbauten, nur dass die Roch nach dem Verlust ihrer Flügel hatten lernen müssen, Stufen und Brücken anzulegen.
Auf Tarik wirkte das alles verzerrt und missgestaltet. Seit sie zurück waren, kämpfte er mit einem würgenden Brechreiz, als gäbe es da etwas im Anblick dieser Umgebung, das seine Eingeweide zusammenpresste.
Die Nesthöhle, in die man sie gebracht hatte, besaß eine breite Öffnung zum Felsspalt. Ein Steg, Schwindel erregend schmal, führte wie eine Balustrade daran entlang. Dahinter lag die zentrale Kluft der Neststadt, weitere dreißig Meter tief, an deren Grund sich die vergitterten Gehege der Elfenbeinpferde befanden. Die gegenüberliegende Felswand war mit blasigen Bauten überzogen, verknüpft durch ein verzweigtes Netz aus Treppen, Leitern, Stegen und Hängebrücken.
Sabatea und Tarik waren nicht allein. Khalis saß gefesselt nur wenige Schritt entfernt an der Wand. Die Roch hatten ihn geknebelt, damit er keine seiner Beschwörungsformeln aussprechen konnte. Die beiden Wächter vor der Öffnung, zwei hochgewachsene, knochige Roch, ließen den Magier nicht aus den Augen, als spürten sie,
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