Sturmkönige 03 - Glutsand
anderen Seite?«
Sie deutete nach Süden, wo der rotglühende Nebel hoch über ihnen die Dünen in wabernde Glut tauchte. Die Sicht reichte nicht weiter als wenige Kilometer. »Es liegt auf einem hohen Felsplateau, irgendwo in dieser Richtung. Der Abgrund zieht sich kreisrund wie ein Ring um die Stadt. Das alles muss beim Ausbruch der Wilden Magie entstanden sein – der Abgrund, die Glaswüste, die Wesen, die all das hier bevölkern.«
Er blickte nach oben. Von der Kante der Glasebene aus hatte er riesenhafte Schatten im Nebel beobachtet. Jetzt sah er, woher sie rührten.
Gewaltige Kolosse schwebten unterhalb der Nebeldecke, lang gestreckte Ovale wie Schiffsrümpfe, aber um ein Vielfaches größer als die mächtigste Galeere. Sie erinnerten an gigantische Fische, die eine unbegreifliche Macht aus dem Ozean gerissen und hierher getragen hatte. Nur dass sie nicht länger das Meer, sondern den Nebelhimmel über dem Untersand durchpflügten. Bedrohlich wirkten sie allein durch ihre Größe, ihre Bewegungen waren behäbig, fast schwerfällig. Ihre trägen Bahnen führten sie in einem endlosen Auf und Ab von Süden nach Norden und wieder zurück, von den Rändern Skarabapurs hin zu den Glasgestaden der Wüste im Norden.
Er löste seinen Blick von den riesenhaften Geschöpfen. »Falls Nachtgesicht es wirklich geschafft hat – wohin könnte er sich zurückgezogen haben?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich bin selbst nur ein paar Stunden länger hier unten als du.«
»Offenbar hat das ausgereicht, um eine Menge über die Geschichte der Roch zu erfahren.«
»Wie lange habe ich gebraucht, um dir davon zu erzählen? Zehn Minuten? Vielleicht zwanzig? Ich weiß nicht mehr als das, was ich dir gesagt habe.«
Er seufzte leise. »Folgen wir einfach der Spur des Sturms.« Da war wieder dieser Anflug von Wut tief in ihm, eine Ungeduld, die er selbst nur teilweise nachvollziehen konnte. Als zerrte etwas an ihm. Nach Süden, in das diffuse rote Glühen und zu dem, was dahinter lag.
Das Elfenbeinpferd folgte hoch über dem Boden dem Verlauf der Schneise. Tarik warf einen Blick über die Schulter zu ihrer Eskorte. Die vier Roch hielten sich eng beieinander und warfen wachsame Blicke in die Höhe.
»Sie wirken angespannt«, stellte er fest.
»Sie fürchten sich.«
»Vor der allmächtigen Pferdebändigerin?«
Sie deutete mit einem Nicken nach oben. »Vor denen da.«
Tarik folgte ihrem Blick zu den trägen Kolossen unter der Nebeldecke.
Sie lächelte grimmig. »Du hast gedacht, das sind Tiere, stimmt’s?«
»Es darf niemals einfach sein, oder?«
»Das hier ist das Dschinnland. Gerade du müsstest wissen, dass es hier -«
»Was genau sind sie?«, fiel er ihr ins Wort.
»Schreckenkokons.«
Er stöhnte leise.
»Wenn sie reif sind, platzen sie. Dann regnet es Schwarmschrecken auf den Untersand. Was offenbar weit öfter geschieht, als allen hier unten lieb sein kann.«
»Regnen bedeutet mehr als, sagen wir, fünf, nehme ich an.«
»Ein paar Dutzend.«
Er blickte zurück zu ihren Rochwächtern, dann hinauf zu den treibenden Giganten. Einer war genau über ihnen. Er schwebte parallel zu den Überresten des Scherbenstegs. Mit einem Mal schien die Verfolgung des Wirbelsturms keine gute Idee mehr zu sein.
»Die Roch haben nichts gefunden, keine Leichen, keinen Schrein, nicht mal Scherben«, sagte Sabatea. »Ich denke, Nachtgesicht hat’s geschafft, Ifranji aufzufangen.«
Sie ächzte zynisch. »Ich müsste dem kleinen Biest eigentlich wünschen, dass es kopfüber irgendwo im Sand steckt.«
»Man gewöhnt sich an sie. Wie an einen Klumpfuß.«
Sabatea hatte allen Grund, Ifranji abzulehnen. Es war noch nicht lange her, da hatte die Diebin damit geprahlt, Tarik und ihr die Kehle durchzuschneiden. Schließlich hatte sie ihn mit Sabateas Blut vergiften wollen, eine andere Diebin war dabei ums Leben gekommen. Ifranji machte es einem nicht leicht, sie zu mögen.
Die vier Reiter zogen an ihnen vorüber. »Weit genug«, rief einer von ihnen. Es war der auf dem zweiköpfigen Elfenbeinpferd. Der linke Schädel ließ die Zunge hängen und schnaufte kränklich. »Wir kehren um.«
Tarik schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
»Ihr kommt mit uns.«
Sabatea presste die Knie zusammen. Das Zauberpferd wurde langsamer, schwebte bald auf der Stelle. Seine Schwingen hoben und senkten sich gemächlich.
Der Roch wies mit seiner Schwertlanze voraus. Einer der Schreckenkokons flog tiefer als die anderen und war an der Unterseite stark
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