Sturmkönige 03 - Glutsand
dass von ihm eine besondere Bedrohung ausging. Weil Khalis über den Knebel hinweg kaum durch die Nase atmen konnte, hatte Sabatea versucht, die enge Binde zu lockern. Die Krieger aber hatten sie umgehend aufgefordert, Abstand zu dem alten Mann zu wahren.
Almarik war als Letzter hergebracht worden, nachdem sich ein Heiler der Roch um seine Verletzungen gekümmert hatte. Mit nacktem Oberkörper lag er auf einem Fell, das im hinteren Teil der Kammer für ihn ausgebreitet worden war. Sie mussten ihm etwas gegeben haben, das ihn betäubte; er war umgehend eingeschlafen. Seine Brust und die verstümmelte Hand waren mit etwas bandagiert, das aussah wie gegerbte Haut. Die übrigen Wunden waren genäht und mit Salben bestrichen worden.
Auch Tarik hatte man angeboten, seine Schnitte und Schürfwunden zu behandeln; er hatte ihnen gesagt, wohin sie sich mit ihren Nadeln und Tiegeln verziehen sollten. Die meisten Verletzungen waren ohnehin längst verkrustet. Sein Körper heilte leidlich gut, das wusste er von all den Zusammenstößen und Beinahekatastrophen während der Teppichrennen, ganz abgesehen von den Blessuren, die er sich bei ihrer bisherigen Reise zugezogen hatte. Er würde keinen Roch an sich heranlassen. Stattdessen hatte er die größeren Wunden selbst mit Wasser gereinigt. Als Sabatea ihm helfen wollte, hatte er auch sie fortgeschickt.
Es wäre vernünftig gewesen, seine schmutzige Kleidung von den Verletzungen fernzuhalten, aber es gab in der Neststadt nichts, gegen das er sie hätte austauschen können. Blut, Schweiß und Dreck hatte er, so gut es eben ging, aus den Sachen herausgewaschen und den Stoff am Körper trocknen lassen.
»Wie lange wollen die uns noch warten lassen?«, knurrte er.
Sabatea sah aus, als läge ihr eine bissige Bemerkung auf der Zunge, doch dann beließ sie es bei einem wortlosen Kopfschütteln.
Unruhig sprang er auf, machte ein paar hastige Schritte in Richtung des Ausgangs und blickte unbeeindruckt auf die Lanze, die sogleich in seine Richtung schwenkte. Es war eine grobe Waffe, und jetzt erst erkannte er, dass sie aus den Schmieden der Dschinne stammte. Kriegsbeute.
Er lieferte sich ein grimmiges Blickduell mit dem Rochwächter, dann ging er wortlos zurück zu seinem Platz.
Sabatea verschränkte die Arme. »Das war ungeheuer hilfreich.«
»Was hat dein Freund Crahac gesagt? Wie lange müssen wir hierbleiben?«
»Was soll das, Tarik? Er ist nicht mein Freund. Er interessiert sich für uns nicht viel mehr als ein Kind für ein paar Ameisen, die auf seiner Hand herumkrabbeln.«
»Das macht mir Mut.«
»Er will die Brutmutter überzeugen, uns weiterziehen zu lassen.« Sie wandte sich ab und trat ungehindert zwischen den beiden Wächtern hindurch an die verzogene Brüstung des Außenstegs. Sie war keine Gefangene wie die drei anderen, obgleich es auch ihr nicht gestattet war, sich frei in der Neststadt zu bewegen. Crahac hatte in seinen Anweisungen an die Wächter offenbar Wert darauf gelegt, dass Sabatea nicht unnötig bedroht oder eingeschüchtert wurde.
Die Wut biss sich noch ein wenig heftiger in Tarik fest.
Die Stimme des Narbennarren flüsterte ihm zu, dass es ungerecht war und dass Sabatea ihn verraten würde, wenn man ihr erst Gelegenheit dazu gäbe. Dass sie es womöglich bereits getan hatte. Amaryllis’ Macht über ihn wuchs, je näher sie Skarabapur kamen. Die Stadt war zugleich Ziel wie auch Kraftquell des Narbennarren. Tariks Gegenwehr wurde schwächer, durchlässiger, und er konnte nur hilflos dabei zusehen, wie die fremden Zweifel und lauernden Vorwürfe immer lauter durch seinen Verstand hallten.
Er hatte versucht, es Sabatea zu erklären. Aber sosehr er sich auch bemühte – kein Wort kam über seine Lippen. Sie musste erkannt haben, wie es um ihn stand, aber sie wusste nicht, was sie tun sollte. Amaryllis verhöhnte sie in seinen Gedanken, und dann und wann ertappte Tarik sich dabei, dass er manche dieser Vorwürfe teilte, und die Gründe dafür, dass es so weit gekommen war, bei ihr suchte.
Dann fühlte er sich schuldig, und das machte es nicht besser. Amaryllis verstand sich darauf, Tariks schlechtes Gewissen zu etwas zu verdrehen, das ihm wieder und wieder zuraunte, allein die anderen trügen die Schuld an allem, das ihnen zugestoßen war.
Im Gewirr der Nesthöhlen und Wege auf der gegenüberliegenden Seite des Felsspalts leuchteten Fackeln auf. Das diffuse Licht, das von oben durch die Nebeldecke fiel, verblasste allmählich. Draußen über der Wüste
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