Sturms Flug
mit goldenen Sternen auf den Schulterklappen sowie ein Zivilist, drehten sich überrascht nach ihm um.
Ehe jemand imstande war, etwas zu sagen, ergriff der Knittergesichtige das Wort. Er sprach leise, so leise, dass man die Ohren spitzen musste, um ihn zu verstehen, und in seiner Stimme schwang ein Misston mit, als müsse er sich jeden Moment die Kehle freiräuspern.
»Mein Name ist Balthasar Grillo. Wer ist der Einsatzleiter?«
Der Zivilist erhob sich. Er trug einen schicken Anzug und machte einen tadellosen Eindruck. »Die Leitung obliegt Herrn Polizeidirektor Riedel.« Er deutete auf einen der Uniformträger. Dieser nickte irritiert. Dann fuhr der Zivilist fort. »Mein Name ist Bohne.« Dramatische Pause. »Ich bin der Polizeipräsident.« Er lächelte einnehmend.
»Schön«, sagte Grillo mit seiner leisen, merkwürdigen Räusperstimme, ohne das Lächeln zu erwidern. Er war kaum ein Meter fünfundsechzig groß, doch das hohe Amt seines Gegenübers schien ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken. Mit dem Trenchcoat und den vielen Falten im Gesicht wirkte er wie eine Humphrey-Bogart-Karikatur. »Dann schlage ich vor«, sagte Humphrey Grillo, »dass Sie jetzt Ihre Leute zusammentrommeln und schleunigst verschwinden. Je schneller Sie weg sind, desto besser.« Er machte eine Handbewegung, welche die gesamte Mannschaft innerhalb und außerhalb des Glaskastens umfasste. »Es reicht, wenn Sie uns acht Mann hierlassen, die mit der Technik vertraut sind und uns zur Hand gehen können. Der Rest darf sich zurückziehen.«
Der Polizeipräsident ( PP ), Herr Dr. Waldemar Bohne, öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Laut zustande. Auch die beiden Uniformierten musterten das hagere Männlein sprachlos.
Schließlich fing sich der PP wieder. »Ich fürchte, ich habe Ihren Namen nicht verstanden …«
»Grillo.«
»Und in welcher Eigenschaft …?«
» BKA . Verhandlungsgruppe. Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie verschwinden, meine Zeit ist knapp bemessen, wie Sie sich vorstellen können.«
Der PP empörte sich. »Nicht in diesem Ton, werter Herr Grillo, nicht in diesem Ton!«
»Sparen Sie sich den Herrn, Grillo reicht vollkommen. Höflichkeit ist Zeitverschwendung. Sie ist nur etwas für schwache Gemüter.«
Herr Dr. Bohne schluckte. »Wie Sie wollen, Grillo. Aber nehmen Sie zur Kenntnis, dass auch meine Zeit knapp ist, denn wir haben es hier mit einer Flugzeugentführung zu tun. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen terroristischen Akt, sondern um den schlichten Versuch der Gefangenenbefreiung. Demnach dürfte die Zuständigkeit nicht beim BKA liegen, sondern ganz klar in unseren Bereich und …«
Er verstummte, da Grillo, der bis dahin in der Tür gestanden hatte, auf ihn zukam und ihm ein Handy vor die Nase hielt. »Möchten Sie das mit dem Bundeskanzleramt erörtern? Dort sieht man durch die Entführung nämlich den Rechtsfrieden der Bundesrepublik Deutschland bedroht. Wenn Sie die Kurzwahl drei betätigen, landen Sie direkt beim Staatssekretär, der mich instruiert hat, diesen Fall zu übernehmen. Ich bin überzeugt, er wird erfreut sein, mit Ihnen zu plaudern.«
Abermals verschlug es dem PP die Sprache. Als er sie wiederfand, hörte ihm Grillo bereits nicht mehr zu.
Stattdessen betrachtete er die Bilder, die mittels zweier Projektoren auf zwei große Leinwände außerhalb des Aquariums geworfen wurden. Die Kameras, die diese Projektoren mit Signalen versorgten, vermutlich via Funkübertragung, mussten weit entfernt sein, möglicherweise im Tower oder auf der Aussichtsplattform des Terminals. Offenbar konnte man sie fernsteuern, außerdem verfügten sie über gigantische Zoomobjektive, denn auf beiden Leinwänden war das Flugzeug zu sehen, und zwar so groß und detailliert, als stünde man unmittelbar davor.
An der Uhrzeit, die unten rechts eingeblendet war, erkannte Grillo, dass auf der rechten Leinwand ein Livebild dargestellt wurde, während auf der linken eine Aufzeichnung lief, die rund zehn Minuten alt war.
Er betrachtete die Aufzeichnung und sah, dass der vordere Einstieg der Maschine offen stand, obwohl die Gangway noch nicht angedockt war. Dann erschien ein Mann, der sich leicht nach vorn beugte und in alle Richtungen spähte. Dabei verlor er das Gleichgewicht und wäre um ein Haar aus dem Flugzeug gestürzt, doch irgendwie konnte er den Fall vermeiden. Kurz darauf nahm ein anderer Mann seinen Platz ein, um mehrere Salven aus einer Maschinenpistole abzugeben. Höchstwahrscheinlich wollte er
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