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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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ihrer Frisur herumzuzupfen, ließ es jedoch sein, als ihr bewusst wurde, dass ein Fremder zuschaute. »Stimmt«, erklärte sie hastig, »ein Termin. Ich habe heute auf der Safari jemanden kennengelernt, auch einen Deutschen, klar. Wir sind um halb elf in der Pianobar verabredet. Ich möchte ihn nicht warten lassen. Hey, hat mich total gefreut, dich kennenzulernen.«
    »Ja«, gab er tonlos zurück. Er zögerte. »Mich auch.«
    »Wir sehen uns! Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, was auch immer du mit dem Rest anstellst.«
    Dann rauschte sie davon. Die Balkontür wurde zugeschoben, und für Bernds Ohren klang es, als würde sich ein Panzerschott schließen.
    »Dir auch einen schönen Abend«, sagte er in das Zirpen der Grillen hinein.
    Fünf Minuten später – er stand immer noch da und hatte sich nicht von der Stelle gerührt – hörte er, wie auf dem Korridor eine Tür zufiel. Gleich darauf drang das Geräusch von hochhackigen Schuhen an sein Ohr, die sich eilig entfernten.
    Leute, die in zwei Stunden zehn Zigaretten qualmen, mag ich sowieso nicht , dachte er verdrießlich. Genauso wenig wie Handy-Junkies. Außerdem ist Berlin viel zu weit entfernt von Köln. Ein Glück, dass ich ihr nichts von ihren Augen vorgesäuselt habe.

Kapitel 3
    10 Tage vor der Entführung des Fluges SWX 714
    Mit den Händen in den Hosentaschen standen die beiden Beamten der Justizvollzugsanstalt ( JVA ) Köln Ossendorf vor dem Verhörraum und warteten. Auf der anderen Seite der Sicherheitstür befand sich der Delinquent, den sie weisungsgemäß dort eingeschlossen hatten. Auch der Dolmetscher war bereits da, hielt sich jedoch etwas abseits und tat so, als würde er hochwichtige Akten studieren. Wer fehlte, war der Staatsanwalt, der darauf bestanden hatte, den Schwerverbrecher höchstpersönlich zu verhören.
    »Frechheit, uns so lange warten zu lassen!«, empörte sich der größere Beamte.
    Er war ein regelrechter Gigant mit einem enormen Wanst, über dem sich das Uniformhemd spannte. Sein immenser Leibesumfang hatte ihm den bizarren Spitznamen Rinderhälfte eingebracht. Manche nannten ihn auch einfach nur Hälfte , was freilich noch grotesker klang. Nach einer Weile hatte er es aufgegeben, dagegen zu protestieren, und das hatte irgendwann dazu geführt, dass seine beiden Spitznamen bekannter waren als sein richtiger Name. Familienmitglieder, Kollegen, Freunde – alle Welt nannte ihn Rinderhälfte/Hälfte. Das ging sogar so weit, dass einige Leute ihn nur unter diesen Pseudonymen kannten.
    »Hast recht«, stimmte sein Kollege zu. »Unverschämtheit, uns so lange warten zu lassen.« Obwohl er von normaler Statur war, wirkte er neben dem Koloss wie ein Hänfling. »Aber du kennst das ja: Je unpünktlicher sie sind, desto wichtiger kommen sie sich vor.«
    »Bin gespannt, was das für einer ist«, murmelte Rinderhälfte in seinen nicht vorhandenen Bart.
    »Wen meinst du? Den neuen Staatsanwalt?«
    »Wen sonst? Soll ein ziemlich harter Hund sein, wie ich hörte. Ein Ziehsohn vom alten Kunze, das sagt doch wohl alles.«
    Das sagte nicht alles, aber eine Menge, denn beim alten Kunze handelte es sich um keinen Geringeren als Oberstaatsanwalt August Kunze, auch bekannt als Eisenschädel Kunze . Er war berüchtigt für seine stets schlechte Laune, für seine Grobheit und Rücksichtslosigkeit, aber auch berühmt für seine Verurteilungsquote. Wie es hieß, nahm er ausschließlich Juristen unter seine Fittiche, die geradezu märchenhafte Examensnoten vorweisen konnten.
    »Dann lass uns beten, dass der Neue nicht ebenfalls so ein Stinkstiefel ist wie unser lieber Eisenschädel. Obwohl … wer die Schule des alten Kunze durchlaufen hat, ohne sich aufzuknüpfen, muss zwangsläufig ein unausstehlicher Mistkerl sein. Und ein harter Knochen obendrein.«
    »Also warten wir auf einen unausstehlichen Mistkerl, eh?«, brummte der Koloss, als er am Ende des gebohnerten Korridors eine Silhouette entdeckte. Wenn man vom Teufel spricht … Das musste der Mistkerl sein. Die Verspätung betrug mittlerweile fast dreißig Minuten.
    »Jetzt bin ich gespannt.«
    Die Umrisse kamen näher. Verhalten, zögernd, fast ängstlich.
    Der Dolmetscher, ein hagerer Schwarzafrikaner mit ergrautem Kraushaar, gesellte sich zu den Beamten und spähte in den Korridor. Wenn das Verhör begann, würde man seine Dienste benötigen, um dem Gefangenen die Möglichkeit zu geben, sich in seiner Muttersprache zu äußern. Diese war af-ka Soomaali-ga . Oder auf Deutsch: Somali.

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