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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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Dementsprechend stammte der Häftling aus Somalia.
    Dort war er als Pirat aktiv gewesen, als Anführer einer Bande moderner Seeräuber, die noch vor ein paar Wochen am Horn von Afrika Containerschiffe und Tanker gekapert hatte. Doch dann war er geschnappt worden, von einer Fregatte der Bundesmarine, die im Rahmen der Operation Atalanta im Golf von Aden patrouillierte. Man hatte ihn inhaftiert und nach Deutschland gebracht, und hier wartete er auf seinen Prozess. Das Verhör, das an diesem Tag stattfinden sollte, war Teil des vorgeschalteten Ermittlungsverfahrens.
    Der Staatsanwalt hatte die Wartenden inzwischen fast erreicht.
    »Das kann er unmöglich sein«, raunte Hälfte.
    »Wieso nicht?«
    Die Antwort blieb unausgesprochen, denn in diesem Moment war der Neuankömmling heran. Er war viel zu jung.
    »Guten Tag!« Er hatte einen schweinsledernen Aktenkoffer mit goldenen Beschlägen bei sich. Und er trug karierte Golfhosen. »Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, aber ich wurde unerwartet aufgehalten. Wichtiges Telefonat. Mein Chef, Sie verstehen. Er bittet ebenfalls um Nachsicht.« Es folgte ein dümmliches Kichern. »Sie gestatten? Lohmann. Bodo Lohmann.«
    Er machte eine linkische Bewegung, die an Hackenzusammenschlagen erinnerte, dann wechselte er den Aktenkoffer von der Rechten in die Linke und hielt dem Koloss die nun freie Hand hin. Dieser ergriff sie verwirrt.
    »Schmitz«, stellte er sich unwillkürlich vor. Der andere Beamte nannte ebenfalls seinen Namen, genau wie der Dolmetscher.
    Nach dem Händeschütteln trat allgemeine Verlegenheit ein. Der lächerliche junge Mann in Golfhosen, Bodo Lohmann, die Vorhut des Staatsanwaltes, schaute erwartungsvoll in die Runde, dann deutete er mit dem Kinn auf die Tür zum Verhörraum. »Aidid wartet bereits?«
    Omar Aidid war der Name des somalischen Gefangenen.
    »Richtig«, bestätigte Schmitz. »Sobald Ihr Chef da ist, können wir loslegen.«
    »Wenn mein Chef da ist?«, fragte Lohmann. Die Bügelfalten seiner Hose sahen aus wie mit dem Lineal gezogen, seine Schuhe glänzten sogar in dem schlecht beleuchteten Gefängniskorridor. »Ich wusste gar nicht, dass er hierher unterwegs ist. Hat er angerufen?«
    Der Koloss war erneut verwirrt. Er schüttelte den massigen Schädel, und sein Doppelkinn wackelte. »Aber Sie sagten doch gerade, Ihr Chef bittet ebenfalls um Nachsicht für die Verspätung.«
    Der junge Mann machte eine eifrige Geste der Zustimmung. »Genau, er bittet um Nachsicht dafür, dass er mich mit dem Telefonat so lange aufgehalten hat und somit schuld daran ist, dass ich mich verspätet habe …«
    Die beiderseitige Erkenntnis kam wie ein Kanonenschuss.
    Schmitz biss sich auf die Lippen, als ihm bewusst wurde, dass er den Staatsanwalt für einen Laufburschen gehalten hatte, während der Staatsanwalt knallrot wurde, als ihm aufging, dass er für einen Laufburschen gehalten worden war. Hurra!
    »Lassen Sie uns anfangen!«, schnappte er, um seine Verlegenheit zu überspielen. Er, der weder Laufbursche noch Mistkerl war und erst recht kein harter Knochen, wie man nur allzu deutlich erkennen konnte, machte auf dem Absatz kehrt, wahrscheinlich, damit die anderen sein Gesicht nicht sahen.
    Als er in Richtung Verhörraum hastete, fiel ihm der Aktenkoffer aus der Hand und polterte zu Boden. Passenderweise sprangen dabei die goldenen Verschlüsse auf. Ein Wust von amtlich aussehenden Dokumenten verteilte sich auf dem Linoleum. Der Dolmetscher eilte herbei, um beim Aufsammeln behilflich zu sein.
    »Das ist ein Milchbubi«, flüsterte Hälfte seinem Kollegen zu und betrachtete das Chaos. »Der ist niemals vom alten Kunze angelernt worden. Nie im Leben! Das Einzige, was sie gemein haben, sind die Hosen. Nur dass der darin aussieht wie ein schwuler Friseur. Nichts gegen Schwule! Ist dir auch aufgefallen, dass er bei der Begrüßung keinem richtig in die Augen gesehen hat? Wie können die bei der Staatsanwaltschaft bloß denken, dass solch ein Schlaffi mit Omar Aidid fertig wird? Heiland, der Schweinepriester ist noch vor sechs Wochen auf hoher See an Schiffswänden hochgeklettert, und das, obwohl seine linke Flosse verkrüppelt ist. Er hat harmlose Seeleute mit Panzerfäusten bedroht, und wenn ihm einer blöd gekommen ist, dann hat er abgedrückt.«
    Das stimmte haargenau. Selbst im Vollzugsbetrieb benahm sich Aidid wie eine offene Hose. So zumindest drückten es die Bediensteten der JVA aus. Seit er hier war, sorgte er ständig für Ärger.
    Der zweite Beamte legte

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