Sturms Flug
gleich nach dem Eintreffen der Journalisten, hinausgejagt hatte.
Das war höchstens eine Viertelstunde her.
Doch nicht nur die Backgammon-Spieler waren von ihm fortgeschickt worden, sondern auch die beiden Kindersoldaten, die als Eskorte fungiert hatten, sowie der schleimige Yussuf. Nur dem angeblichen General Rashid hatte der angebliche Prinz Asad erlaubt, im Raum zu bleiben, und Mara hatte sich gefragt, wie eine Kommunikation möglich sein sollte ohne Yussuf als Übersetzer, geschweige denn ein Interview.
»Als ich noch ein Kind war, habe ich immer von einem eigenen Zimmer geträumt«, hatte Asad anstelle einer Begrüßung erklärt. Das hatte er in einem Englisch getan, das so perfekt klang, so akzentuiert, dass es ohne weiteres als Hörbeispiel in einem Sprachkurs hätte dienen können.
Träge hatte er sich in seinen Sessel fallen lassen und die Füße auf den Tisch gelegt. »Setzt euch, setzt euch!« Eine großmächtige Geste unterstrich die Aufforderung. »Du auch, Weib!« Dann erzählte er: »Wir lebten zu neunt in einem Zimmer, meine Eltern, mein Bruder und meine fünf Schwestern.« Er seufzte, als würde der Kummer der Welt auf seinen schmalen Schultern lasten.
Und die waren wirklich nicht besonders breit, wie Mara feststellte, denn der Pseudo-Prinz hatte die Statur eines Herings. Sein Kraushaar war kurz und der Haaransatz lächerlich hoch, und am Gürtel seiner Fantasieuniform baumelte eine ähnliche Machete wie jene, die Rashid mit sich herumschleppte.
Das war durchaus sinnvoll, insbesondere, wenn man sich im Haus aufhielt. Schließlich war es leicht vorstellbar, dass man vom Weg abkam, etwa beim Gang zur Toilette, und sich durch ein Dickicht hacken musste, um wieder herauszukommen.
Spinner! , dachte sie.
Der Prinz streifte Zöllner und Karpinski mit einem kurzen, uninteressierten Blick, bevor er Mara eine volle Minute lang musterte. Schweigend, während er mit den Fingern einen Takt auf die Sessellehne trommelte.
Sie hielt der Musterung stand, senkte nicht den Kopf, schaute nicht zur Seite, zog keine nervösen Grimassen. Er forderte sie heraus, und sie nahm an. Plötzlich fiel ihr Yussufs Predigt von vorhin ein, wonach der Prinz von Takatuka-Land es nicht mochte, wenn man ihm direkt in die Augen schaute. Ach ja, und Weiber waren in seinem Haus ebenfalls nicht willkommen. Pah, und wenn schon!
Das Schweigen und gegenseitige Taxieren ging weiter.
Endlich, bevor die Situation noch unangenehmer werden konnte, schaltete sich Zöllner ein. »Wären Sie bereit, mit dem Interview zu beginnen?«, fragte er nach einem vorsichtigen Räuspern. Dann erinnerte er sich ebenfalls an Yussufs Ratschläge und fügte hastig hinzu: »Hoheit.«
Asad war einverstanden und deutete ermutigend auf die Kamera, die Karpinski noch nicht eingeschaltet hatte.
»Wie kommt es, Hoheit, dass Sie so ausgezeichnet Englisch sprechen?«, lautete Zöllners erste Frage. Das war in der Tat erstaunlich für einen somalischen Fischer, der nie eine Schule besucht hatte.
Seine Erhabenheit grinste wölfisch. »Das hat mich mein Vater gelehrt. Er kam einige Jahre vor dem Krieg ins Land, 1980, als Entwicklungshelfer, und nachdem er meine Mutter geschwängert hatte, ist er nie wieder in seine Heimat zurückgegangen, der dämliche Bastard. Er war Brite, selbstverständlich ein Schwarzer. 1991 haben ihn ein paar Strauchdiebe abgepasst und auf dem Heimweg vom Suuqa Bakaaraha erschossen, um ihm die Einkäufe abzunehmen. Reis für die Familie. Danach haben mein Bruder und ich uns um alles gekümmert.« Er lachte. »Weiße konnte der Alte übrigens auf den Tod nicht ausstehen. Und Deutsche noch weniger. Krautfresser hat er sie immer genannt. Seine Antipathie lag wohl an diesem katholischen Missionar, der jede Woche … Unwichtig! Sie kommen ebenfalls aus Deutschland, genau wie dieser verbrecherische Lügner von einem Pfaffen, nicht wahr?«
Zöllner tat gut daran, nicht auf die Provokation einzugehen. »Ihr Bruder, Hoheit, spricht der auch so gut Englisch wie Sie?«
»Nein, kein Wort, hat ihn nie interessiert.«
»Unterstützt er Sie im Kampf gegen die Regierung?«
Sie zog schweigend die Braue hoch. Die richtige Frage, dachte sie, hätte lauten müssen: Ist dein Bruder auch so ein nichtsnutziger Halsabschneider wie du, der sein Geld mit Waffenhandel verdient, mit Entführung, Söldnerunwesen, Piraterie, Schiebereien von Hilfsgütern und kistenweise gestohlenen Fernsehern?
»Ich liebe meinen Bruder«, gab Asad wenig aufschlussreich zurück.
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