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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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»Wir sind Zwillinge, nicht eineiig, aber trotzdem untrennbar miteinander verbunden. Wir haben den gleichen Charakter und die gleichen Stärken.«
    Ach, und keine Schwächen, was?
    »Ich würde alles für ihn tun, das gebietet die Familienehre. Und er würde alles für mich tun, denn er ist ebenfalls ein Ehrenmann.« Er wandte sich auf Somali an Rashid, und dieser nickte eifrig.
    »Hast du auch einen Bruder?«, wollte er dann wissen. Die Frage kam übergangslos und war an Mara gerichtet.
    Sie nickte. Das war besser als eine gesprochene Antwort, da es ihr auf diese Weise erspart blieb, ihn mit »Hoheit« anreden zu müssen.
    Er funkelte sie bösartig an. »Würdest du dich für deinen Bruder töten lassen? Oder für ihn töten?«
    Sie zog die Stirn in Falten bei dieser idiotischen Frage. Schließlich zuckte sie mit den Schultern.
    »Was heißt das?«, drängte er. »Ja oder nein?«
    »Das heißt: Ich weiß es nicht.« Wenn du denkst, ich würde dich ›Hoheit‹ nennen, hast du dich geschnitten, du geisteskrankes Arschloch. »Kommt auf die Umstände an. Wenn er in Lebensgefahr wäre …«
    Er schnitt ihr mit einer unbeherrschten Geste das Wort ab und verzog angewidert das Gesicht. »Du hast keine Ehre! Die einzige akzeptable Antwort auf diese Frage lautet Ja.« Er wandte sich an Zöllner. »Was ist mit dir? Würdest du für deinen Bruder zum Mörder werden?«
    »Ohne mit der Wimper zu zucken, Hoheit!« In Wirklichkeit hatte Zöllner weder einen Bruder, noch wollte er sich auf solch aberwitzige Gedankenspiele einlassen. Trotzdem war es gut, Asad recht zu geben.
    Der Prinz grinste triumphierend, als habe er soeben eine hoch komplizierte Theorie bewiesen. »Weiber wissen nicht, was Achtung und Würde bedeuten. Aber das verlangt auch niemand von ihnen. Sie sollen Söhne zur Welt bringen, nichts weiter.«
    Mara kotzte innerlich. Unter normalen Umständen hätte sie den Kerl rundheraus gefragt, ob er eine Schraube locker hätte, dann wäre sie aufgestanden und einfach gegangen. Er war erst achtundzwanzig, wie sie im Vorfeld herausgefunden hatte, doch was er verzapfte, hätte gut zu einem Mann aus dem vorletzten Jahrhundert gepasst. Außerdem konnte sie sich nicht erklären, worauf er mit seinem Gefasel über Ehre hinauswollte. Falls er überhaupt auf etwas hinauswollte. Das geplante Interview entwickelte sich langsam, aber sicher zur Groteske.
    Auf einmal schnellte Asad wie ein Raubtier von seinem Platz hoch und auf Mara zu. Sie zuckte vor Schreck zurück, als sie seine Linke auf ihr Gesicht zufliegen sah. Allerdings beabsichtigte er nicht, sie zu schlagen, wie sie zunächst angenommen hatte, sondern stoppte rechtzeitig. » Das ist Ehre!«, ereiferte er sich.
    Sie starrte auf seine Hand, mit der er ihr vor der Nase herumfummelte. Dort, wo einst Mittel-, Ring- und kleiner Finger gewesen waren, befanden sich nur noch Stümpfe, die heller aussahen als die übrige Haut und knotig wirkten.
    »Die habe ich mir für meinen Bruder abgehackt«, rief er theatralisch. »Für meinen Bruder, der ein Gefangener Hussein Ali Saids war.«
    Das musste ein rivalisierender Warlord sein, vermutete sie und erinnerte sich, den Namen vor Kurzem schon einmal gehört zu haben. Der Gefesselte mit den weggeschossenen Kniescheiben hatte zu Hussein überlaufen wollen.
    »Hussein Ali Said ist die Nachgeburt einer Sau!«, schrie Asad und spuckte auf den Boden. »Er hat meinen Bruder gefoltert, um an mich heranzukommen, um mir eine Falle zu stellen und mich zu töten. Aber mein Bruder ist stumm geblieben. Trotz Elektroschocks, trotz glühender Nadeln. Und obwohl man ihm drei Finger abgehackt hat. Diese drei Finger!« Er presste seine Stümpfe in ihr Gesicht, sodass sie angewidert den Kopf zur Seite drehte. Doch damit war die absurde Ansprache noch nicht zu Ende. »Wir konnten ihn befreien, Allah sei Dank. Und weil er loyal war, habe ich mir um seinetwillen die gleichen Finger abgehackt, die er für mich gegeben hat. Das ist Ehre!«
    Er stand breitbeinig vor ihr und fixierte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    Sicherlich hast du dich ihm zuliebe auch mit Elektroschocks traktieren lassen , dachte sie. Vielleicht hättest du dabei besser auf die Dosierung achten sollen. Das war eindeutig zu viel.
    Laut stöhnend ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Dann, als hätte die Eruption in seinem wirren Kopf niemals stattgefunden, deutete er durch die offene Glastür nach draußen. Dort befand sich die Terrasse, die

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