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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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unwillkürlich zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß.
    »Ich könnte dafür sorgen, dass man Ihnen Hafturlaub gewährt«, stieß er hervor. »Hafturlaub!«
    Die Tür blieb geschlossen, die Retter kamen nicht.
    »Hafturlaub«, wiederholte er ein weiteres Mal vergeblich. Fieberhaft überlegte er, ob er dem Somalier einfach einen Tritt zwischen die Beine verpassen sollte. Schwachsinn, der Kerl würde das bereits im Ansatz erkennen und vereiteln, immerhin war er als Straßenschläger aufgewachsen. Grundgütiger, wo blieb Wolf?
    Der Zeigefinger kam näher, zielte auf sein Gesicht, auf seinen Augapfel. Himmel, wollte der Kerl ihm die Augen ausstechen? Der Geruch von Schweiß drang ihm in die Nase.
    Dann verschwand der böse Zeigefinger. Stattdessen tauchte eine Hand vor Lohmanns Gesicht auf, Omars Linke, an der Mittel-, Ring- und kleiner Finger fehlten. Nur noch drei grässliche Stümpfe waren davon übrig.
    »Mein Bruder hat drei Finger für mich gegeben«, zischte Omar. »So wie ich drei Finger für ihn gegeben habe. Zweifelst du wirklich daran, dass er mich hier herausholen wird?«
    Die Stummelfinger verschwanden, und die unversehrte Rechte des Somaliers schoss heran, um Lohmanns Kragen zu packen. Dieser wurde sofort mächtig eng, der Druck auf den Kehlkopf ließ ihn augenblicklich würgen.
    »Hilfe!«, krächzte er. »Hilfe!« Dann brachte er keinen Laut mehr zustande, weil Omar ihn würgte. Der Kerl war stark, selbst mit nur einer Hand. Verzweifelt versuchte Lohmann, ihn fortzustoßen. Vergebens.
    Die Tür flog auf, Wolf stürmte herein, gefolgt von einem Rudel Uniformierter.
    Lohmann röchelte, sah einen Zwirbelschnurrbart neben sich auftauchen, und dann, endlich, packten zwei riesige Pranken Omars Hand und bogen die Finger scheinbar mühelos auf. In der nächsten Sekunde wurde der Somalier unter einem Berg aus Leibern begraben.
    »Alles in Ordnung?«, fragte der Kriminalbeamte.
    Lohmann hustete und röchelte. »Ich … ich bin ein Waschlappen«, keuchte er schließlich, statt eine sinnvolle Antwort zu geben. »Ein erbärmlicher Waschlappen. Ich habe nicht einmal ernsthaft versucht, mich zu wehren.«
    Wieder schüttelte ein Hustenanfall seine schmalen Schultern, während der Kriminalkommissar etwas Versöhnliches nuschelte über die Anforderungen, die man an einen Staatsanwalt stellte und zu denen Wehrhaftigkeit nicht zählte.
    Dann geschah etwas Merkwürdiges.
    Plötzlich riss Lohmann die Augen auf, und er glotzte, als wäre ihm gerade der Heilige Geist erschienen. »Sie kennt ihn«, stammelte er ungläubig. »Sie ist ihm begegnet. In Somalia.«
    Wolfs Gesicht zeigte Verständnislosigkeit. »Was reden Sie da? Wer ist wem begegnet? Soll ich Ihnen einen Arzt rufen?«
    »Nicht nötig, mir geht es gut. Sehr gut sogar.« Lohmann lächelte triumphierend. »Was denken Sie, wie viele Leute es gibt, denen drei Finger fehlen und die einen Zwillingsbruder haben, auf den das ebenfalls zutrifft?«
    »Was reden Sie da?«
    Seine Augen leuchteten vor Begeisterung. »Frau Sturm war in Somalia.«
    »Mara?«, fragte Wolf verdattert. »Ich verstehe nicht …«
    »Frau Sturm war in Somalia!«, sagte er abermals. »Erst gestern hat sie mir erzählt, dass sie dort einem Mann begegnet ist, einem irrsinnigen Warlord, der eine Bande von Milizen anführte und behauptete, falls nötig sein Leben für seinen Bruder zu opfern.«
    Er rief sich ihren Bericht über den ehemaligen Fischer namens Asad in Erinnerung, der zum großen Anführer geworden war und sich mit »Hoheit« ansprechen ließ.
    »Ihm fehlen drei Griffel«, hatte sie wortwörtlich gesagt. »Die hat er sich nämlich abgehackt.«
    Er erinnerte sich an seine Reaktion. »Abgehackt?«, war es ihm entfahren.
    Frau Sturm hatte genickt. »Ja, für seinen Bruder, dem man die gleichen Finger abgehackt hat, als er einem feindlichen Clan in die Hände fiel und man ihn folterte. Er hat mir seine Stummel vor die Nase gehalten und irgendetwas von Familienkodex und Ehre geschwafelt.«
    Demnach war der größenwahnsinnige Guerillaführer, Asad der Fischer, kein Geringerer als Omars Bruder! Und wie es schien, war dieser Bruder tatsächlich vom Himmel herabgefahren, und zwar in einer Passagiermaschine aus Kenia, um Omars Freilassung zu erpressen. Es passte alles zusammen.
    Lohmann erzählte dem Kriminalbeamten, was er wusste, und je länger er sprach, desto größer wurden die Augen über dem Zwirbelbart.
    »Frau Sturm hat ihm gegenübergestanden!«, rief der Jungstaatsanwalt voller

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