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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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Löwe, während Bernhard zweifellos ein anderes Wort für Schwuchtel ist. Und jetzt schaff mir den verdammten Kadaver aus den Augen, Schwuchtel!«
    Damit war der Leichnam des Easy Rider gemeint.
    »Wegschaffen? Wohin denn?«
    Die Mündung der Maschinenpistole schwenkte in Richtung Tür. »Schmeiß ihn aufs Rollfeld. Dann sehen die Idioten dort draußen, dass ich es ernst meine.« Mit diesen Worten drehte er sich um und entfernte sich mit seinem leicht hinkenden Gang.
    Bereits im nächsten Augenblick ertönte eine weitere Lautsprecherdurchsage, diesmal sprach Asad selbst ins Mikrofon. Er befahl den Passagieren, ihre Handys abzugeben. Danach wies er Grietje und das übrige Flugpersonal an, durch die Reihen zu gehen und die Mobilfunkgeräte einzusammeln.
    Bernds Hände zitterten. Die Vorstellung, einen Leichnam zu berühren, ließ ihn schaudern. Voller Entsetzen betrachtete er das bartstoppelige Gesicht des Toten. Unter dem massigen Schädel hatte sich zwischenzeitlich eine Lache gebildet, die den groben Filzteppich im Mittelgang tränkte. Erstaunt und entsetzt zugleich registrierte er, dass es sich bei dieser Lache nicht um Blut handelte, sondern um eine Flüssigkeit, die durchsichtig war wie Wasser, jedoch einen eigenartigen, intensiven Geruch verbreitete. Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, dass es Hirnflüssigkeit sein musste, obwohl er im Grunde keine rechte Vorstellung hatte, was das genau war. Hanna hätte es ihm vermutlich erklären können, denn als Neurochirurgin kannte sie sich mit solchen Dingen aus. Dann sagte er sich, dass Hanna in Wirklichkeit Tamara hieß und vermutlich gar keine Chirurgin war, auch wenn ihm das gefallen hätte. In ihrem Brief war sie jedenfalls nicht auf ihren Beruf eingegangen.
    »Na, wird’s bald!«, schnauzte Tyson alias Asad der Löwe.
    Bernd nahm seinen ganzen Mut zusammen und packte den Toten bei den Schultern, um zunächst seinen Oberkörper aufzurichten. Er plante, ihn mit dem sogenannten Rautek-Griff wegzutragen, den er vor vielen Jahren bei einem Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte. Angeblich war dieser Griff die ideale Technik, um eine schwere Person zu bergen.
    Irgendwie gelang es ihm, sich das Prozedere ins Gedächtnis zu rufen. Zunächst musste er seine Arme unter den Achseln des Toten hindurchschieben. Dabei kam er mit nacktem Fleisch in Berührung, das weich war und behaart und schwabbelig, aber zumindest nicht kalt, wie er erwartet hatte. Dann angelte er sich den linken Arm des Leichnams und legte ihn quer vor die massige Brust, sodass er genau über dem Harley-Davidson-Logo zu liegen kam. Schließlich packte er den zurechtgerückten Arm mit beiden Händen.
    »So, jetzt nur noch hochheben«, murmelte er kaum hörbar.
    Dass dies nicht leicht werden würde, hatte er erwartet, doch so schwer hatte er es sich nicht vorgestellt.
    Nach wenigen Schritten, die er in der Rückwärtsbewegung bewältigte, mehr taumelnd als gehend und mit dem gewaltigen Leib auf den Oberschenkeln, verließen ihn die Kräfte. Er stolperte über seine eigenen Füße, verlor den Stand, polterte rücklings zu Boden.
    Asad der Löwe lachte gehässig. Dabei konnte Bernd nichts Lustiges daran finden, unter einem toten, zwei Zentner schweren Fleischberg begraben zu werden, und noch weniger erheiternd war es, wenn aus dem eingeschlagenen Schädel dieses Berges irgendeine stinkende Flüssigkeit herauslief. Augenblicklich bildete sich ein dunkler Fleck auf Bernds hellblauem Hemd.
    Er spürte, wie Brechreiz in ihm hochstieg, und nur mit knapper Mühe und Not konnte er verhindern, sich zu übergeben. Außerdem tat ihm das Hemd leid, denn das war eins seiner ältesten und liebsten, ein Geschenk seines verstorbenen Bruders.
    »Du da«, hörte er Asad bellen. Der Kasernenhofton schien seine normale Art der Konversation zu sein. »Ja, genau du, dich meine ich. Hilf dem geigespielenden Schwuchtelkönig! Er ist zu schlapp, den Fettsack allein wegzutragen.«
    Bernd, der sich inzwischen unter den erdrückenden Massen hervorgezwängt hatte, sah seinen Helfer wider Willen näher kommen.
    Dieser war völlig ungeeignet, da er eine Sie war, noch dazu ein zierliches Persönchen von knapp einem Meter fünfzig Körpergröße, mit schwarzem Haar und bildhübschem Gesicht, das jedoch weiß war wie ein Laken. Er schätzte sie auf Ende zwanzig. In ihrer Nase steckte ein silberner Knopf, eins dieser Piercings, die er so verabscheute, und jeder ihrer Finger war beringt, nicht mit echtem Schmuck, sondern mit billigem Kitsch. Sie zitterte

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