Sturms Flug
denkbar, dass die Entführer Komplizen haben, die sich auf dem Flughafengelände befinden. Das wäre ein unkalkulierbares Risiko. Außerdem müssen Flucht- und Rettungswege frei bleiben und …«
»Was halten Sie davon, gleich die ganze Stadt zu sperren? Schließlich kann man nie wissen. Die Terroristen sind mitten unter uns.« Der Mann im Auto deutete auf das Absperrgitter. »Haben Sie sich diesen Schwachsinn ausgedacht?«
Die Polizisten waren einen Moment lang sprachlos, dann fragte der eine: »Wir? Nein, natürlich nicht. Das ist eine Entscheidung des Einsatzleiters.«
»Und wie heißt der Einsatzleiter?«
»Wie bitte?«
»Den Namen Ihres Einsatzleiters will ich wissen, ist das so schwer zu begreifen? Ich will mich bei ihm bedanken, für diesen Zirkus hier. Also, wie heißt der gute Mann?«
Ehe die Beamten antworten konnten, fuhr die Scheibe der Limousine hoch, dann wurde mit viel zu viel Gas umständlich gewendet, wobei der Wagen fast mit dem Heck das Absperrgitter gerammt hätte. Die Reifen drehten auf dem schlüpfrigen Asphalt durch.
»Denken Sie daran, dass dies eine Einbahnstraße ist!«, rief einer der Polizisten so laut er konnte über das Lärmen des aufheulenden Motors hinweg.
Der andere bedeutete dem Fahrer mit Handzeichen, die Abfahrt zu benutzen und nicht den Weg zu nehmen, den er gekommen war. »Dort lang!«
In diesem Moment randalierte es unter Maras Jacke. Sie hängte den Helm an den Lenker, streifte die Handschuhe ab, tastete mit klammen Fingern in ihren Innentaschen herum. Endlich fand sie das Mobiltelefon mit dem nervtötenden Klingelton.
Das wird Anne sein, vermutete sie.
Doch stattdessen meldete sich EKHK Wolf, ihr ehemaliger Kommissariatsleiter. Sofort wurde sie von der Hoffnung gepackt, sein Anruf diene dem Zweck, ihr die freudige Mitteilung zu machen, dass er ihre Reaktivierung durchgeboxt hatte.
Doch freudig klang er nicht, als er brüllte: »Wo, zur Hölle, steckst du? Wir reißen uns hier sämtliche Beine aus, um dich zu erreichen. Wenn wir nicht beim Kurier angerufen und uns Frau von Kalck nicht deine neue Nummer gegeben hätte …«
Sie schnitt ihm das Wort ab. »So ein Zufall, ich bin nämlich gerade für den Kurier unterwegs und stehe am Flughafen. Und da du gerade von der Hölle gesprochen hast: Die ist hier los! Polizei so weit das Auge reicht. Offenbar wurde eine Passagiermaschine entführt und die Insassen als Geiseln genommen.«
»Wissen wir längst«, entgegnete Wolf zu ihrem Erstaunen. »Genau deshalb rufe ich an.«
»Aha.« Erstaunt zog sie die Braue hoch. »Und wieso sprichst du andauernd von wir ?«
»Weil ich bis gerade eben nicht allein war, sondern in Begleitung deines Freundes Bodo Lohmann. Er ist bereits auf dem Weg zum Flughafen.«
»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Was hast du mit Lohmann zu tun? Und woher wisst ihr von der entführten Maschine? Herrgott, diese Info ist brandneu, die kann unmöglich schon durch den Äther gegangen sein.« Sie fragte sich, ob der Anrufer, der sich beim Kurier gemeldet hatte, inzwischen noch andere Zeitungen kontaktiert hatte.
»Ich befinde mich derzeit in der JVA «, erklärte Wolf. »Hier bin ich Lohmann begegnet. Wir waren nämlich beide hier wegen eines ganz bestimmten Häftlings, wegen eines Mannes aus Somalia namens Aidid, Omar Aidid. Wie Lohmann mir erzählte, hast du unlängst seinen Bruder Asad kennengelernt.«
Die Erwähnung des Namens trieb ihr trotz der Kälte augenblicklich den Schweiß auf die Stirn.
Wolf berichtete in knappen Sätzen, was sich in der JVA zugetragen hatte, erzählte von dem Funkruf im Tower, von dem Geiselnehmer, der sich »Löwe von Puntland« nannte, und von seiner Forderung, Omar Aidid freizulassen.
Je länger er sprach, desto intensiver wurde der Schauer, der ihr über den Rücken kroch. Wenn es stimmte, was er sagte, wenn seine Schlussfolgerungen richtig waren, dann befand sich Asad Aidid in diesem Moment höchstens einen oder zwei Kilometer von ihr entfernt. Sie hob den Kopf und spähte in Richtung Terminal, in der irrwitzigen Erwartung, dort irgendwo das entführte Flugzeug zu entdecken und durch das Spiegelglasfenster des Cockpits den Blick zweier gelber Augen einzufangen.
»Du befindest dich am Flughafen, sagtest du?«
Sie nickte unwillkürlich, zwang sich zu antworten. »Ja.«
»Lohmann und ich vermuten, dass Asad an Bord der Maschine ist. Wie gesagt: vermuten. Ein gewisser Rest an Unsicherheit bleibt. Wenn wir dir den Funkverkehr vorspielen, den er mit dem Tower
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