Sturms Jagd
Lohmann an.
»Nichts da, du bist kein Polizist, also bleibst du draußen. Warte hier und beobachte den Eingang. Wenn ich mich in fünf Minuten nicht gemeldet habe, stimmt etwas nicht. Dann kannst du vom Schlimmsten ausgehen und die Eins-eins-null wählen. Erzähl den Beamten von meiner Verschwörungstheorie. Fünf Minuten, hörst du?«
Er nickte und wurde unsicher. Sie meinte das tatsächlich ernst. Die ganze Geschichte war aberwitzig – zumal sich zwei Polizisten mit eigenen Augen davon überzeugt hatten, dass nichts Unrechtes im Gange war –, doch Frau Sturm hielt an ihrer Vermutung fest. War das Intuition oder einfach nur Starrsinn? Lohmann begann zu zweifeln.
»Ich habe keine Waffe«, sinnierte sie.
»Und keine Schuhe, falls Ihnen das entgangen sein sollte.«
Sie ließ den Einwand unbeantwortet, sondern stieg aus dem Wagen, wobei sie um ein Haar in ihr eigenes Erbrochenes getreten wäre.
»Warten Sie!« Aus dem Handschuhfach nahm Lohmann eine Pistole und reichte sie ihr.
»Nett gemeint, aber mit einer Gasknarre ist mir nicht gedient.«
»Das ist keine Gasknarre.«
Sie nahm die Waffe entgegen, betätigte den Magazinauswurf und fing das Magazin mit der freien Hand auf. Als Nächstes schnippte sie eine Patrone heraus und stellte fest, dass es sich um eine 9 mm Parabellum handelte, die Standardmunition der Polizei. »Ist das dieselbe Knarre, die du gestern dabeihattest? Als wir in das Schlachthaus gestürmt sind? Ich dachte, das wäre bloß eine Gaspistole?«
Er grinste und schaute ihr tief in die grünen Augen. Sie erwiderte den Blick, sagte jedoch nichts. Mit geübten Fingern machte sie die Pistole schussfertig und stopfte sie anschließend in ihre Handtasche. Dort landete auch ihr Handy, nachdem sie die Stummschaltung aktiviert hatte.
»Denk dran: Ich melde mich in spätestens fünf Minuten. Falls nicht, rufst du die Polizei.«
Hoffentlich hat man mich bis dahin abgeknallt , dachte sie. Das Leben ist einfach nur beschissen!
Dann ging sie auf die Bank zu.
Kapitel 42
»Was sind das nur für Hornochsen, die andauernd stapelweise Papier in die Müllcontainer werfen? Altpapier gehört ins Altpapier, damit es recycelt werden kann!«
Lukas, gelernter Maurer, aber aufgrund langer Arbeitslosigkeit zum Aushilfsfahrer einer örtlichen Entsorgungsfirma für Industrieabfälle abgestiegen, war auf den Rand des Containers geklettert und betrachtete wütend den Inhalt. »Sogar Zinkbleche haben die da reingepfeffert. Sind die denn bekloppt? Das kann man alles wiederverwerten! Sieht aus wie ein alter Kabelkanal.«
Josef – oder Jupp, wie Lukas’ älterer Kollege schlicht genannt wurde – winkte ab. Er lehnte am Fahrerhaus ihres Absetzkippers und drehte sich eine Zigarette. »Na und? Was regst du dich so auf? Die komplette Fuhre landet eh im Ofen.«
Damit war die Müllverbrennungsanlage gemeint, wo der Inhalt des Containers einfach in ein riesiges Loch mit Betonwänden gekippt wurde, das man Müllbunker nannte. Anschließend beförderte ein gigantischer Kran alles, was darin landete, in den Ofen, ganz egal, ob das die Innereien von Schweinen waren oder sorgfältig gesammelte und zu Bündel verschnürte Zeitungen.
In diesem Container befand sich allerdings weder das eine noch das andere, zumal es für die Schlachtabfälle ohnehin spezielle Container gab. Stattdessen war hier der ganze Müll gesammelt, der sonst in einem Betrieb anfiel, vor allem zerbrochene Styroporverpackungen, zerrissene Plastikfolie und die leeren Kartons, die Lukas vorhin als stapelweise Papier bezeichnet hatte. Und auch die verbogenen Teile eines alten Kabelkanals.
Jupp ließ den Zigarettenrauch durch die Nase entweichen. »Du weißt selbst, dass es kein Aas interessiert, was alles im Ofen landet. Da wird nichts getrennt.«
Und das war auch gut so, denn dadurch wurde viel Zeit gespart. Jupp hütete sich jedoch, diesen Gedanken auszusprechen, denn das hätte auf der Stelle eine Diskussion heraufbeschworen. Lukas war ein guter, fleißiger Junge, aber seit er zur Volkshochschule ging, hatte er merkwürdige Ansichten. Dieser ganze Öko-Schwachsinn war seine neueste Masche.
Er schnaubte. »Ja, ich weiß, dass die Fuhre in den Ofen wandert. Diese ungebildeten Rindviecher von Metzgern, die hier arbeiten, wissen das aber nicht. Also müssten sie, wenn sie einen Funken Grips in ihren hohlen Schädeln hätten, checken, dass dies hier kein Papiercontainer ist. Demnach gehört auch kein Papier rein. Und altes Blech auch nicht.« Er beugte sich
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