Sturms Jagd
so, als entferne sie ein paar Staubflusen von ihrem Kleid.
Unauffällig umschauen? Schwachsinn! Sie trug Abendgarderobe und war barfuß, wie konnte sie da annehmen, unbemerkt zu bleiben? Heiland, was hatte sie sich nur dabei gedacht? Okay, ruhig bleiben. Ihre Barfüßigkeit machte sie auffällig, verriet jedoch nicht automatisch, dass sie Polizistin war. Im Gegenteil, die Täter würden sie für meschugge halten und nicht ernst nehmen. Ha, das mochte sich sogar als Vorteil erweisen.
Sie drückte ihre Handtasche ganz fest an sich und spürte die Pistole darin. Dann setzte sie sich langsam wieder in Bewegung. Hinter dem Schalter saß ein Bankangestellter, der in seine Arbeit vertieft war oder vielleicht nur so tat. Er schaute nicht hoch, sondern hackte wie besessen auf einer Computertastatur herum. Ganz weit hinten war ein weiterer Schalter besetzt, doch das war alles.
Was? Nur zwei Angestellte in dieser riesigen Halle?
Mara sprach den Mann am Computer schon von Weitem an. »Guten Morgen. Ich möchte ein Konto eröffnen. Bin ich bei Ihnen da richtig?«
Der Angestellte hob den Kopf und starrte ihr aus weit aufgerissenen Augen entgegen. An seiner Nasenspitze hing ein Schweißtropfen, doch warm schien ihm nicht zu sein, denn er zitterte.
Da bemerkte sie das Fehlen jeglicher Kundschaft. Wo steckten die drei Männer, die unmittelbar vor ihr die Bank betreten hatten? Und wo war die alte Frau geblieben? Ohne sich etwas anmerken zu lassen, trat Mara an den Schalter. Ihre Handtasche legte sie vor sich hin, gleich neben das Schild mit der Aufschrift Hier bedient Sie Andreas Schmitt .
»Ich bin Polizistin«, flüsterte sie ihm kaum hörbar zu. »Bleiben Sie ruhig, wir haben die Lage unter Kontrolle. Fahren Sie sich mit der Hand durchs Haar und benutzen Sie für jeden Täter, den Sie gesehen haben, einen Finger.«
Herr Andreas Schmitt schien sie nicht gehört zu haben und starrte sie unentwegt an. Er wirkte wie gelähmt. Schließlich tat er doch noch, was sie von ihm verlangt hatte: Mit der rechten Hand stich er sich durchs Haar, während er sich gleichzeitig mit zwei Fingern der Linken an der Stirn kratzte.
Maras Lippen formten sich zu einer stummen Frage: Sieben? Mit einer solchen Streitmacht hatte sie nicht gerechnet.
Just in dieser Sekunde spürte sie eine Bewegung hinter ihrem Rücken. Sie griff nach ihrer Handtasche und wirbelte herum.
Vor ihr stand ein zähnefletschender Clown, der sie sofort packte und zu Boden riss. Sie widersetzte sich, indem sie versuchte, eilends wieder aufzustehen und ihre Handtasche in die Finger zu bekommen, die sie bei der Attacke verloren hatte, doch der Clown war stärker. Erneut riss er sie nach unten, sodass sie auf dem Rücken zu liegen kam. Sie strampelte, konnte jedoch nicht verhindern, dass er sich rittlings auf sie hockte. Irgendwie bekam sie einen Arm frei und boxte mitten in die grimmig verzogene Visage. Der Schlag verpuffte wirkungslos, und die nächste Runde ging abermals an den Clown, der ihr den Unterarm gegen den Hals drückte. Ihr blieb sofort die Luft weg. Panisch versuchte sie, sich aus dem Würgegriff zu befreien, indem sie ihr Kinn gegen das eigene Brustbein presste. Das funktionierte, und der Arm rutschte nach oben, sodass sie ihn nicht mehr am Hals spürte, dafür aber mitten im Gesicht. Ohne zu zögern biss sie zu.
Der Clown lachte, denn er trug eine schusssichere Manschette aus Kevlar, an der sie sich sprichwörtlich die Zähne ausbiss. Dann wurde es ihm zu bunt, und er holte zum finalen K.o.-Schlag aus.
»Ich ergebe mich!«, kreischte sie.
Die heranfliegende Faust stoppte im letzten Moment. Sie öffnete sich. Zwei sanfte Finger strichen Mara eine Haarsträhne aus dem Gesicht, zärtlich, beinahe liebevoll.
Wieder erklang ein Lachen unter der Maske, und die Augen hinter den Sehschlitzen schauten sie unendlich lange an. »Da bist du ja wieder. Ich hab dich vermisst, mein Schatz.«
Mara ahnte nicht, dass es ihre frappierende Ähnlichkeit mit Laura war, die den kranken Geist hinter der Maske vorübergehend besänftigt hatte. In den Augen des Psychopathen war sie ein älteres Laura-Modell, das ihm umso besser gefiel, je länger er es betrachtete. Ja, älter war besser, denn es bedeutete gleichzeitig reifer, und reifen Frauen musste man nicht erst jede Kleinigkeit beibringen. Er war wirklich ein Glückspilz.
»Los!«, befahl er und nahm ihre Handtasche an sich. »Komm mit. Und keine Faxen mehr, sonst geht’s dir dreckig.«
Er kicherte. Als er darüber
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