Sturms Jagd
das Herz saß. An dieser Stelle steckte ein Messer, das ihr unendliche Pein bereitete.
Smertin hat den Falcon-Brigadisten auf dich angesetzt. Sein Auftrag besteht darin, dich auszuhorchen.
Das musste ein Irrtum sein! Ja, natürlich, ein entsetzliches Missverständnis, nichts weiter! Mara verfügte über gute Menschenkenntnis, und so konnte sie sich unmöglich täuschen. Sie liebte Tom, und Tom liebte sie.
Die Tätowierung fiel ihr ein, und sie gab sich eine heftige Ohrfeige, krallte sich mit den nackten Zehen an der Fußmatte fest, pochte mit den Fäusten auf das Armaturenbrett. Früher, als Teenager, hatte sie Kummer damit bekämpft, dass sie sich ganz bewusst gezwungen hatte, an etwas anderes zu denken als an die Sache, die sie betrübte. Vogel-Strauß-Politik oder cleverer Selbstschutz? Schwer zu sagen. Wie auch immer, damals war am Ende stets Jo gekommen und hatte sie in die Arme genommen, und danach war ihr die jeweilige Misere nur noch halb so schlimm vorgekommen. Doch Jo war längst nicht mehr der liebende Bruder von damals. Eine neue Empfindung wühlte sie auf: Einsamkeit.
Smertin hat den Falcon-Brigadisten auf dich angesetzt. Sein Auftrag besteht darin, dich auszuhorchen.
Plötzlich spürte sie Lohmanns Finger, die sanft über ihren Handrücken strichen. »Was ist denn los?«, machte er einen neuen, schüchternen Versuch.
Sie rang sich ein Lächeln ab, was jedoch nicht wirklich gelang, und zog die Hand weg. Sie wollte nicht schutzlos, nicht verletzlich wirken, und die Tatsache, dass Lohmann ihren Ausbruch miterlebt hatte, fügte dem Kummer noch Scham hinzu. »Nichts. Es geht schon wieder«, log sie. »Ich bin nur vollkommen am Ende. Müde.«
»Ja, die Müdigkeit kann einem zusetzen.« Lohmann hatte keinen Schimmer, was Frau Sturm bewegte, fühlte sich jedoch mindestens genauso peinlich berührt wie sie. Deshalb suchte er sein Heil im Plappern.
Wort- und gestenreich erklärte er ihr, welche biochemischen Vorgänge anhaltender Schlafentzug im menschlichen Körper auslöste, wie einen Insomnie außer Gefecht setzte, wie die Konzentration darunter litt, die Aufmerksamkeit, die Leistungsfähigkeit. Und dann erzählte er, dass er eine Woche vor seinem Staatsexamen vor lauter Aufregung fast drei Nächte hintereinander nicht geschlafen hatte.
»Um die Bank brauchen Sie sich auch nicht mehr zu sorgen«, wechselte er abrupt das Thema, immer noch in dem Bemühen, sie aufzuheitern. »Sie haben die Streifenwagenbesatzung gehört: Da drinnen ist alles in Ordnung.« Er grinste töricht.
»Da bin ich anderer Meinung«, entgegnete sie mit wenig Nachdruck. Ihre Stimme klang heiser und kraftlos, doch irgendwo tief in ihr glomm noch ein winziger Funke Willenskraft.
»Aber die beiden haben doch gesagt, dass sie nachgeschaut haben.«
»Dann haben sie halt nicht richtig nachgeschaut.« Sie öffnete die Autotür, schwang die Beine nach draußen, stieg aber nicht aus, sondern blieb auf dem Beifahrersitz hocken und schaute hin und her zwischen ihren nackten Zehen und dem Eingang der Bank, wo bereits drei oder vier Ungeduldige auf Einlass warteten. In der Tat, dort drüben schien alles in bester Ordnung zu sein.
»Auf mich angesetzt …«, murmelte sie geistesabwesend, während sie abermals ihre Zehen betrachtete. Sie bückte sich, griff nach der ramponierten Sandalette im Fußraum und warf sie so weit wie möglich weg. »Absatz abgebrochen. 330 Euro zum Teufel! Macht aber nix, kann sowieso auf den Dingern nicht richtig laufen!« Sie lachte hysterisch. Gleichzeitig kehrte der stechende Schmerz in ihrer Brust zurück, ein Gefühl der Beklemmung, das ihr fast den Atem nahm. Das Herz tat furchtbar weh.
Du musst an etwas anderes denken! Zwing dich!
Lohmann spürte, dass sie sich in einer Gemütsverfassung befand, in der tröstliche Worte sinnlos waren. Also versuchte er es auf andere Weise. »Sie glauben also noch immer an Ihre Theorie vom Banküberfall?«
»Ich glaube an gar nichts mehr.«
»Das heißt also nein.« Kurze Pause. »Oder?«
Sie schien eine Weile angestrengt nachzudenken. »Heißt es nicht. Die Bank wird überfallen! Davon bin ich überzeugter denn je.«
»Ich erinnere Sie nochmals an die beiden Streifenbeamten …«
»Wie ich schon sagte: Die haben nicht richtig nachgeschaut!« Auf einmal klang sie nicht mehr gleichgültig, sondern wie ein kleines Kind, das versuchte, seinen Dickkopf durchzusetzen. »In ein paar Minuten macht die Bank auf, dann gehe ich rein und sehe nach.«
»Soll ich mitkommen?«, bot
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