Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
grunzte und blieb auf Mara hocken, um sie nun endlich zu fesseln, doch abermals kam es nicht dazu. »Ich hab keine Kabelbinder mehr«, beschwerte er sich bei dem Aufpasser.
    »Ich auch nicht.«
    »Verflucht!« Er rappelte sich schwerfällig auf und blickte suchend umher, offenbar in dem Bemühen, eine geeignete Ersatzfessel zu finden. Natürlich war nirgends eine in Sicht, was nicht verwunderte, da er sich in einer Küche aufhielt und nicht in einem Kolonialwarenladen.
    »Komm schon!«, drängte der andere. »Wir müssen sie nicht fesseln. Ich werde das anders erledigen.«
    Mara hatte sich inzwischen auf den Rücken gedreht und war in die Sitzposition gewechselt – bedächtig, denn die Boxhiebe des Clowns zeigten Wirkung und bereiteten ihr höllische Schmerzen. Im nächsten Moment sah sie den Kolben der Kalaschnikow auf sich zurasen.
    »Achtung!«, rief eine der Geiseln, und die Frau mit der eingenässten Strumpfhose stieß einen entsetzten Laut aus.
    Der herrische Ruf des Clowns übertönte alle anderen und sorgte dafür, dass die Waffe in der Luft verharrte, ehe sie in Maras Gesicht krachte. »Tu das nicht!«, befahl er seinem Kumpan. »Ich will nicht, dass du sie verunstaltest. Warte, ich hole Klebeband.«
    Mit diesen Worten drehte er sich um und rannte davon, so schnell, dass der Aufpasser keine Gelegenheit mehr zum Protest erhielt. Einen Moment lang schien er zu überlegen, ob er doch noch den Gewehrkolben einsetzen sollte, besann sich jedoch anders. Wahrscheinlich hatte er keine Lust, sich mit dem Clown anzulegen. Ohne richtig auf Mara oder die Geiseln zu achten, lehnte er sich gegen den Türrahmen und linste nach draußen. Die Verzögerung ging ihm gegen den Strich, seine Unrast war deutlich zu spüren. Und noch etwas fiel Mara auf, nämlich, dass er sich ziemlich oft den Unterleib hielt und dabei das Gesicht verzog, so als würden ihn heftige Magenkrämpfe plagen.
    Sie hatte keine Ahnung, was für eine Krankheit ihm zusetzte, doch einen besseren Verbündeten hatte sie in diesem Moment nicht. Auf einmal sah sie wieder die Chance, ihren kühnen Plan von vorhin in die Tat umzusetzen. Nur ein einziger Verbrecher musste überwältigt werden, noch dazu einer, der nervös war und von Krämpfen gepeinigt wurde. Wenn er sich das nächste Mal den Magen hielt, beschloss sie, würde sie ihn attackieren.
    Sie sah ihre Handtasche mit der Pistole darin auf der Arbeitsplatte liegen. Um diese an sich zu bringen, musste sie lediglich aufspringen und eine Distanz von zwei oder drei Schritten überwinden, während der Aufpasser doppelt so weit entfernt war. Lautlos erhob sie sich auf die Knie. Aus den Augenwinkeln sah sie die fragenden Blicke der Geiseln; da war ein älterer Herr mit Schnurrbart und runder Brille, der aussah wie ein liebenswerter Opa, eine Frau mit Dauerwelle und der Mann mit dem zetrümmerten Nasenbein. Dieser schickte sich an, etwas zu sagen, doch sie brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
    Alle hielten den Atem an.
    Der Aufpasser tat ein paar Schritte in Richtung Flur, verschwand kurz aus dem Blickfeld, rief jemandem etwas zu, erhielt keine Antwort, kehrte wieder zurück. Wie ein Hund, der darauf wartete, von der Leine gelassen zu werden, ging er im Bereich der Tür auf und ab. Auf die Geiseln achtete er mittlerweile überhaupt nicht mehr.
    Mara nutzte die Gunst des Augenblicks und richtete sich weiter auf, kam schließlich auf die Füße. Dabei rutschte ihr Kleid nach unten, und sie musste wieder blitzschnell zufassen, um es festzuhalten. Sie fühlte sich unbehaglich. Nie wieder würde sie ein Kleid anziehen!
    Sie fixierte den Stoff, indem sie sich die lose herunterhängenden Träger wie einen Gürtel um den Leib schlang und vorn zusammenknotete, sodass sie zumindest von der Hüfte abwärts halbwegs verlässlich bekleidet war. Doch oben war nur noch der Büstenhalter. Geschwind schnappte sie sich einen Lederblouson, den jemand über eine Stuhllehne gehängt hatte, und streifte ihn über. Der war viel zu groß, und außerdem ließ sich der Reißverschluss nicht zuziehen, sei es, weil er klemmte, sei es, weil ihre Finger zitterten und nicht in der Lage waren, die simpelsten Dinge zu tun.
    Die Geiseln begannen aufgeregt zu tuscheln. Mara machte zwei vorsichtige Schritte in Richtung Handtasche.
    Mit einem Mal wurde sie von der Horrorvision gepeinigt, die Pistole nicht rechtzeitig herauszubekommen, da sie sich womöglich in dem Täschchen verhakte. Sie überlegte, den Aufpasser mit Judo aufs Kreuz zu legen,

Weitere Kostenlose Bücher