Sturms Jagd
den Ansatz ihres Gesäßes galt. Trotz der bedrohlichen Lage, in der sie sich befand, empfand sie in diesem Moment vor allem eins: Scham.
Sie konnte den Clown nicht sehen, doch sie hatte das Gefühl, seine gierigen Blicke auf ihrer Haut zu spüren. Auch die Augen der Geiseln waren auf sie gerichtet.
Ungelenk versuchte sie, die Fetzen des Kleides zurechtzurücken und sich so weit wie möglich zu bedecken, doch der Koloss brüllte sie an, die Finger stillzuhalten. Um seinem Befehl den nötigen Nachdruck zu verleihen, boxte er ihr zwischen die Schulterblätter.
Ende der Zärtlichkeiten. Mara hätte fast aufgeschrien, biss sich jedoch auf die Unterlippe, weil sie dem Kerl diesen Triumph nicht gönnte. »Das wirst du bereuen, du Fettsack!«, presste sie hervor. Um ein Haar hätte sie noch hinzugefügt: Dafür macht mein Bruder Hackfleisch aus dir! Sofort wurde ihr bewusst, wie töricht diese Drohung war, und sie schluckte den Satz hinunter.
»Was?«, brüllte der Clown. »Wie war das? Was werde ich bereuen?«
Sie schwieg.
»Was werde ich bereuen?«
Immer noch stures Schweigen.
»Ich will wissen, was ich bereuen werde, verdammt noch mal! Und ich will wissen, ob du mich gerade tatsächlich Fettsack genannt hast!«
»Nein, da hast du dich verhört. Ich habe dich nicht Fettsack genannt!« Sie schnaufte geräuschvoll. »Das wäre gelogen, denn du bist nicht bloß ein Fettsack, du bist ein widerlicher, aus dem Maul stinkender feiger Fettsack, der sich nur an Frauen vergreifen kann, weil er zu schlapp ist …«
Wieder donnerte die Faust in ihren Rücken.
Diesmal schrie sie, und die Frau, die sich eingenässt hatte, schrie mit ihr, allerdings hysterisch und nicht vor Schmerz. Der Aufpasser gluckste und sagte etwas auf Russisch.
Irgendwann, schoss es Mara in den Sinn, würde sie für ihre große Klappe bezahlen. Vielleicht schon an diesem Tag?
Plötzlich schob der Clown seine Finger unter den Verschluss ihres Büstenhalters, spannte den Stoff wie eine Bogensehne und ließ ihn schnalzen. Er gackerte wie ein debiler Vollidiot, dann wiederholte er das Spiel mehrere Male, wobei er zunehmend ungestümer zu Werke ging.
Sie zappelte, schrie spitz und schrill, versuchte, den Oberkörper aufzurichten und sich nach dem Kerl umzudrehen, ohne genau zu wissen, was sie damit erreichen wollte. Resultat ihrer Bemühungen war ein weiterer Boxhieb gegen die Wirbelsäule, der noch viel härter war als seine Vorgänger. Sofort schossen ihr die Tränen in die Augen, und sie ließ den Oberkörper wieder auf den Teppich sinken.
»Und das?«, heulte der Clown triumphierend. »Werde ich das etwa ebenfalls bereuen? Was willst du dagegen tun? Na, komm schon, mein zähes kleines Mädchen, tu was. Ich bin bloß ein aus dem Maul stinkender Feigling. Los, zeig’s mir!«
Er lachte und beugte sich hinab, legte sich fast mit seinem gesamten Gewicht auf sie, bis seine nach Latex riechende Clownsfratze ihre Wange berührte. Sein Atem ging schwer unter der Maske, als er ihr ins Ohr flüsterte.
»Bist du auch so geil wie ich?«
Sie warf demonstrativ den Kopf herum.
»Bist du auch so geil wie ich?«, wiederholte er brüllend.
In diesem Moment wurde die Tür geöffnet. Mara konnte nicht sehen, wer eintrat, hörte ihn jedoch verkünden: »Der Tresor ist offen. Gigolo will, dass ihr runterkommt …« Die Stimme erstarb, bevor sie ärgerlich fortfuhr: »Was machst du da auf dem Fußboden? Bist du nicht mehr ganz dicht?«
Adressat der Frage war eindeutig der Clown, und die Antwort war ebenfalls eindeutig: Ja, er war nicht mehr ganz dicht.
»Hat wieder mal nur das eine im Kopf«, spottete der Aufpasser. »Genau das gleiche Theater wie mit dieser Studentin. Da konnte er auch an nichts anderes denken, als sie aufs Kreuz zu legen.«
Mara hörte die Worte und begriff auf der Stelle, dass die Studentin, von der die Rede war, niemand anderes sein konnte als Laura. Demnach hatte sich dieses fette Scheusal an ihr vergangen.
»Dafür wirst du bezahlen«, flüsterte sie, ohne dass er es hörte.
Der Tonfall des Neuankömmlings wurde indes noch ungehaltener. Er fluchte und bediente sich eines Mischmaschs aus Deutsch und Russisch, bevor er endete: »Komm gefälligst von der Frau runter! Wir haben keine Zeit für solchen Schwachsinn. Oder denkst du, ich will wegen dir den Rest meines Lebens im Knast verbringen? Gigolo braucht alle Mann unten im Tresorraum, und zwar plötzlich. Das Zeug muss verladen werden. Dawei! «
Er verschwand im Laufschritt.
Der Clown
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