Sturms Jagd
Ufer der Newa sitzen und den teuersten Champagner saufen, den man für Geld kaufen kann.« Er brach in schallendes Gelächter aus.
»Was ist mit dem Narbigen?«, unterbrach der Doktor den Heiterkeitsausbruch.
»Was soll mit ihm sein?«, gab Smertin zurück. Seine Schultern bebten immer noch, eine Träne rann ihm über die Wange seines kahlen Totenkopfgesichtes. »Er bekommt, was ihm zusteht.«
Diese Aussage fachte sein Gelächter abermals an. Es verging eine halbe Minute, bis er sich wieder gefangen hatte. Dann nahm er sein Mobiltelefon aus der Innentasche des Sakkos und stellte eine Verbindung her. Der Teilnehmer am anderen Ende musste auf den Anruf gewartet haben, denn er nahm ihn augenblicklich an.
»Ist alles vorbereitet?«, fragte Smertin, ohne sich mit Formalitäten aufzuhalten. »Habt ihr eure Positionen eingenommen?«
Der Gesprächsteilnehmer gab eine Antwort, die Smertin veranlasste, zum Dach des gegenüberliegenden Gebäudes zu spähen, zum rund dreißig Meter entfernten neuen Schlachthof. Mit einer Geste wies er Stalin an, es ihm gleichzutun.
Ein Mann war an der Dachkante aufgetaucht, der offenbar ein Handy am Ohr hielt und mit der freien Hand winkte. Das musste Smertins Gesprächspartner sein. Dann erschienen zwei weitere Gestalten, von denen jede demonstrativ ein Gewehr in die Höhe reckte.
»Denkt daran«, sagte Smertin ins Handy, »ich will, dass ihr ihm in die Knie schießt. Nur in die verdammten Knie, kapiert? Seine Leute legt ihr allesamt um. Und dass mir keiner das Feuer eröffnet, bevor ich das Zeichen gebe.« Dieses bestand in dreimaligem Händeklatschen.
Wieder winkte sein Gesprächspartner. Smertin trennte die Verbindung, während die drei Gestalten auf dem gegenüberliegenden Dach verschwanden. »Wie gesagt«, wandte er sich an Stalin, »es ist alles vorbereitet. Jeder bekommt, was ihm zusteht, auch der Narbige. Dort oben lauern drei Scharfschützen, deren Gewehre mit Präzisionszielfernrohren ausgestattet sind.«
»Warum in die Knie?«, wollte der Einäugige wissen.
»Weil es ihn zum Krüppel macht, ihn aber nicht umbringt. Stell dir vor, wie er die nächsten fünfzehn Jahre über gebohnertes Linoleum humpelt. Ich schätze, das Knastleben wird ihm nicht gefallen, denn Schwächlinge haben hinter Gittern nichts zu lachen, wie wir beide wissen. Willkommen in der Hölle, Krüppel. Sukin sin! « Diesmal brach er nicht in schallendes Gelächter aus, sondern grinste still in sich hinein.
»Es war eine ausgezeichnete Idee, die Leiche dieses verräterischen Milizionärs mit den Haaren des Narbigen zu präparieren«, fuhr er fort. »Unser lieber Freund hätte in Frankfurt besser auf seine alte Fliegerjacke aufpassen sollen, insbesondere, da sie doch ein Geschenk seines Vaters war, wie er mir in einem Anflug von Sentimentalität erzählte. Ist Serkan für seine Dienste bezahlt worden?«
Stalin nickte. Serkan war der Cage-Fighter, dessen Kämpfe Johannes Strasser vermarkten wollte. Smertin hatte dem Türken viel Geld geboten, damit er Strasser heimlich die Jacke stahl. Kleidungsstücke waren in der Regel wahre Fundgruben verwertbaren DNA-Materials.
Smertin rieb sich die Hände. »Die Miliz wird seine DNA an der Leiche entdecken, in diesem Land wird nämlich sehr gründlich gearbeitet. Noch bevor unser Freund ein Vaterunser beten kann, wird er das Klicken der Handschellen hören, und zwar an seinen eigenen Gelenken. Habt ihr dafür gesorgt, dass man die Zunge des Verräters in seinem Garten findet?«
Stalin nickte, obwohl ihm diese Vorgehensweise ziemlich plump und klischeehaft vorkam. »Ordentlich verschnürt und verbuddelt. Die Miliz wird heute einen anonymen Hinweis erhalten.«
»Perfekt. Der tote Verräter wurde inzwischen längst gefunden, möchte ich meinen. Bleiben nur noch unsere sieben Helden, die es loszuwerden gilt, doch das wird der Knollenblätterpilz für uns erledigen.« Er wies mit dem Daumen über die Schulter zum alten Schlachthof. »Wir werden sie dort reinschicken, damit sie sich behandeln lassen. Und während sie noch vergeblich das Feldlazarett suchen, schauen wir uns die Welt bereits von oben an. Ich würde zu gerne ihre dämlichen Gesichter sehen, wenn ihnen aufgeht, was wirklich Sache ist.«
Stalin unterbrach ihn. »Er kommt.«
Gemeint war Johannes Strasser, dessen Hummer soeben um die Ecke bog und sich dem alten Schlachthof näherte.
Smertin griff blitzschnell zum Handy. »Er kommt«, wiederholte er Doktor Stalins Worte, als die Verbindung stand. »Wartet auf
Weitere Kostenlose Bücher