Sturms Jagd
einer aufgeregten Handbewegung zum Schweigen. Er starrte in den Außenspiegel. »Der Streifenwagen ist hinter uns. Er kommt rasch näher.«
Während er sprach, gab er bereits Vollgas.
Mara, immer noch unbeachtet, überlegte, was sie tun konnte. Sechs Wahnsinnige mit automatischen Waffen, die nichts zu verlieren, aber eine Menge zu gewinnen hatten, waren eine höllische Streitmacht.
Ein Martinshorn ertönte. Der Geldtransporter machte einen Satz, als er in eine Bodenwelle fuhr. Reflexartig ließ Tom das Gewehr fallen, um sich mit beiden Händen festzuhalten. Die Waffe rutschte über die Ladefläche, passenderweise genau in Maras Richtung.
Tom schaute ihr hinterher – und wurde auf Mara aufmerksam. Ihre Blicke kreuzten sich, allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde, denn im nächsten Moment stürzten sie bereits beide auf das Sturmgewehr zu.
»Pass doch auf!«, brüllte Petrow auf dem Beifahrersitz. »Lastwagen von rechts.«
»Und von links die Bullen. Dermo , da ist überall Miliz. Das sind gepanzerte Limousinen. Solche Karren werden nur von Zivilbullen benutzt.«
Mara griff nach dem Schaft des Gewehres, doch gleichzeitig bekam Tom den Lauf in die Finger. Er riss daran und zog Mara, die nicht losließ, mit unwiderstehlicher Kraft auf sich zu.
»Achtung! Der Laster!«
Reifen quietschten, das Lenkrad wurde herumgerissen, das Heck des Geldtransporters brach aus.
Und dann ging die Welt unter, als der klobige Wagen gegen ein Hindernis krachte und anschließend umkippte.
Kapitel 54
Genau gegenüber dem Aufenthaltsraum befand sich eine fensterlose, miefige, nach Reinigungsmitteln stinkende Besenkammer, die Laura als Versteck nutzte. Sie hatte sich dorthin geflüchtet, weil sie das Gefühl nicht loswurde, dass der fette Irokese immer noch hinter ihr her war. Und weil sie niemandem vertraute. Und weil sie keine fremden Gesichter sehen wollte. Und weil ihr erst recht die Lust fehlte, eine Knochenmühle oder andere Gerätschaften in Aktion zu erleben. Das Einzige, nach dem sie sich wirklich sehnte, waren ihr Heim und ihre Kinder.
Also kauerte sie fast eine Stunde lang in völliger Finsternis hinter einem Regal und wartete auf das Eintreffen der Polizei. Damit sie nicht gefunden wurde, falls irgendwer außer den Beamten nach ihr suchte, deckte sie sich mit einer Gummischürze zu, die sie an einem Haken gefunden hatte.
Immer, wenn sie auf dem Flur ein Geräusch hörte, befreite sie sich eilig von der Schürze und kam hinter dem Regal vor, um durch das Schlüsselloch zu linsen. Da die Tür des Aufenthaltsraumes offen stand, konnte sie genau sehen, wer dort ein und aus ging. Gottlob war der Irokese nicht dabei, doch leider auch kein Uniformträger. Nach einer Weile verlor sie jegliches Zeitgefühl, und schließlich sorgte die Anspannung der letzten Tage dafür, dass sie in einen unruhigen, von Angstträumen verseuchten Erschöpfungsschlaf fiel. Einmal hatte sie das Gefühl, als würde die Tür geöffnet und kurz das Licht eingeschaltet, und dann rief jemand nach Mona.
Das war natürlich ein Hirngespinst, wie sie sich einredete.
Kein Hirngespinst hingegen war der Krach, der sie schlagartig weckte. Das Spektakel hatte seinen Ursprung nicht im Gebäude, sondern draußen auf dem Hof. Ein Martinshorn war zu hören, dann ein lauter Knall, gefolgt von einem zweiten, noch wesentlich lauteren Knall, der nahtlos in ein lang anhaltendes Scheppern und Rumpeln überging. Glas splitterte, und Metall barst, und letzteres Geräusch weckte in Laura unwillkürlich die Impression eines Nagels, der über eine Schieferplatte kratzte. Ein dritter Donnerschlag brachte das Martinshorn zum Schweigen, und dann herrschte kurz Stille, bevor wildes Geschrei losbrach.
Laura wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, doch das Martinshorn zeugte zweifellos vom Eintreffen der Polizei, alles andere war unwichtig.
Sie befreite sich von der Gummischürze, stolperte durch die Dunkelheit, riss die Tür auf, stürzte auf den Flur. Da sie keine Ahnung hatte, wo sich der Ausgang befand, rannte sie in die große Schlachthalle, denn dort gab es ein Rolltor, das ins Freie führte. Vorhin hatte es offen gestanden, entsann sie sich, und das war vermutlich immer noch der Fall, da sonst der Krach nicht so deutlich zu vernehmen gewesen wäre.
Schnaufend erreichte sie die Halle, die sich vollkommen verlassen vor ihr ausbreitete. Die Metzger waren verschwunden, die Bänder standen still. Diese unerwartete Einsamkeit verursachte ein Gefühl der Beklemmung in
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