Sturms Jagd
Wucht gegen den Schädel. Dass heißt, er hätte ihm mit voller Wucht gegen den Schädel getreten, wenn er nicht im entscheidenden Moment hingefallen wäre, vermutlich, weil der Wirbel, den der Rotor des Hubschraubers verursachte, ihn umwarf, als er mit dem Fuß ausholte. So streifte sein Schuh nur den Kahlkopf des Russen.
Strasser war sofort wieder auf den Beinen. Er hob die Pistole auf, die Smertin aus der Hand gefallen war, doch vor lauter Hektik entfiel sie ihm ebenfalls. Er raffte sie erneut an sich und rannte.
Steiner, Heinemann und die anderen Fahnder schauten mit offenen Mündern zu.
»Scharfschützen!«, brüllte Steiner, der es als Erster schaffte, die Lethargie abzuschütteln. Strasser hatte bereits viele Meter Boden gewonnen. »Scharfschützen! Feuer frei!«
Die Schüsse blieben aus.
Smertin war es inzwischen gelungen, die Cessna auf allen vieren zu erreichen. Sein zerrissenes Hemd wehte ihm um die Ohren. Doktor Stalin befand sich bereits an Bord, lehnte sich aus der offenen Einstiegsluke und hielt seinem Freund die Hand hin.
»Scharfschützen! Feuer frei, hab ich gesagt, verflucht!«
»Negativ. Der Quirl ist im Weg.«
Gemeint war der Hubschrauber.
Dann krachte es doch noch, einmal, zweimal, gefolgt von einer ganzen Garbe unbeherrschter Schüsse, doch die Cessna rollte bereits. Smertins rechtes Bein, das in der Luke verschwand, war das Letzte, was die Fahnder von ihm zu sehen bekamen.
Der Hubschrauber versuchte, die Propellermaschine zu blockieren, indem er ihr buchstäblich vor der Nase herumtanzte, doch der Pilot der Cessna ging rücksichtslos auf Kollisionskurs, sodass Falke IV keine andere Wahl hatte, als hochzuziehen, um einen Zusammenstoß in letzter Sekunde zu vermeiden.
Strasser erreichte die Fahnder. Er keuchte, sein T-Shirt war blutdurchtränkt. »Schießen Sie das verdammte Flugzeug ab!«, forderte er. »Na los, worauf warten Sie noch?«
Steiner senkte den Kopf. »Unmöglich.«
»Unmöglich? Was heißt hier unmöglich? Da fliegen gerade hundert Jahre Knast davon. Verflucht, Smertin wollte meine Schwester umbringen lassen, und Sie faseln etwas von unmöglich.« Er boxte Steiner mit der unverletzten Rechten gegen die Brust.
Dieser wehrte sich nicht. »Strasser, regen Sie sich ab! In diesem Land darf man nicht einmal Flugzeuge abschießen, die von Terroristen gekapert wurden, um damit Zivileinrichtungen anzugreifen. Das Thema wurde endlos in den Medien diskutiert. Uns sind die Hände gebunden. Kommen Sie, Mann, Sie brauchen einen Arzt.« Er wandte sich an seine Leute. »Und wir machen weiter wie geplant, alle gehen wieder zurück auf ihre Posten. Der Rest der Bande kann jeden Moment mit dem Koks hier auftauchen.«
Die Cessna war inzwischen zu einem winzigen Punkt am strahlend blauen Himmel geworden.
Kapitel 53
Die beiden Streifenpolizisten, der lange dünne namens Horst und sein kleiner dicker Kollege Rüdiger, lenkten ihren Funkwagen im Schritttempo über das Gelände der Victor Smertin Schlachtbetriebe OHG .
Hinten, auf dem Rücksitz, hockte ein Metzger, der nach eigener Aussage einer der Ersten vor Ort gewesen war, als man vor einer Stunde oder so eine junge Frau aus dem Abfallcontainer gefischt hatte. Wenn es stimmte, was der Metzger behauptete, war sie von ihm und seinen Kollegen in den Aufenthaltsraum gesetzt worden, doch da befand sie sich nicht mehr. Gleiches galt für die angrenzenden Räumlichkeiten. Sie war wie vom Erdboden verschluckt.
»Also irgendwo muss sie doch stecken«, schimpfte Horst, während er den Streifenwagen zwischen zwei wartenden Kühllastern hindurchbugsierte. »Ich schlage vor, dass wir zunächst einen Blick auf den Container werfen, in dem sie gelegen hat. Dort finden wir vielleicht irgendeinen Hinweis auf ihre Identität. Wo geht’s lang?«
»Rechts rum«, brummte der Metzger.
»Was ist denn das für ein Gebäude dort drüben? Der Ziegelbau?«
»Ach, das. Der alte Schlachthof. Steht nur noch Gerümpel drin.«
»Sind Sie sicher, dass sie keinen Nachnamen genannt hat?«, wollte Rüdiger unvermittelt wissen. Er nahm das letzte Brötchen aus der Tüte und biss hinein.
Der Metzger furchte die Stirn, er war offensichtlich schwer von Begriff. »Wer hat keinen Nachnamen genannt?«
»Na, die Frau im Müllcontainer. Ihr Kollege sagte, sie hätte lediglich etwas von Mona gestammelt, als er sie nach ihrem Namen fragte. Doch Mona allein hilft uns nicht weiter. Was wir brauchen, ist ihr Familienname, dann können wir vielleicht herausfinden, wer sie
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