Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
sich diese Anrede, da sie wussten, dass sie allergisch darauf reagierte.
    Ihr Vater hatte sie immer Tamara genannt.
    »Die bedauerliche Tatsache«, fuhr Schmitz fort, »dass man deinem Bruder nie etwas Handfestes nachweisen konnte, spricht nicht dagegen, dass er eine Ratte ist, zwar eine besonders clevere, aber immer noch eine verkommene …«
    »Heinz!«
    Der Alte winkte ab. »Hauptsache, er beeilt sich und lässt endlich seine Verbindungen spielen.«
    »Keine Sorge, das wird er. Ich wette, heute Abend wissen wir mehr.«
    Sie ließ sich in ihren Drehstuhl fallen. Ihr Schreibtisch war mit Bergen von Akten bedeckt, während der Papierkorb überquoll. Auch sonst herrschte in dem Büro ein ähnliches Chaos wie in ihrer Wohnung, denn sie und Schmitz hatten haargenau das gleiche Verständnis von Ordnung. Das Schild mit der Aufschrift Müllkippe , das ihnen die Kollegen außen an die Tür gepappt hatten, war die logische Folge. Entfernen ließ es sich leider nicht, da es mit Sekundenkleber angebracht worden war.
    Als sie nach dem kleinen Tischventilator griff, bemerkte sie, dass jemand den Papierberg auf ihrem Schreibtisch zur Seite geschoben hatte, um Platz zu schaffen für einen Aktenkoffer aus augenscheinlich teurem Schweinsleder. Beim zweiten Hinsehen erkannte sie, dass der Koffer nicht einfach auf den Schreibtisch gelegt worden war, sondern dass ihn sein Besitzer exakt rechtwinklig zur Tischplatte ausgerichtet hatte. Eine messingfarbene Plakette auf dem Deckel des Koffers war mit den Initialen B. L. versehen.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Wonach sieht es denn aus?«
    »Nach einem Aktenkoffer«, gab sie schnippisch zurück. »Ich bin nicht blind. Wie kommt das Ding auf meinen Schreibtisch? Und wer ist B. L.?«
    Schmitz ließ wieder einen seiner berühmten, nichtssagenden Grunzlaute vernehmen. Dann erklärte er: »Schlechte Nachrichten, Tamara, B. L. steht für Bodo Lohmann, der gute Mensch wohnt jetzt hier, und zwar für die nächsten sechs Wochen. Oder acht? Wer weiß das schon?«
    »Bodo Lohmann?«, echote sie. »Wer ist das? Und was meinst du damit, er wohnt jetzt hier?«
    »Ganz einfach: Er ist angehender Rechtsverdreher, ein Jurastudent. Sein erstes Staatsexamen hat er gepackt, wie man hört mit Auszeichnung, und während er die zwei Jahre bis zum zweiten Examen absitzt, spielt er den Aktensortierer bei der hiesigen Staatsanwaltschaft. Ein solches Praktikum schimpft sich in Fachkreisen übrigens Referendariat.«
    »Danke für den Vortrag«, sagte sie giftig. »Was ein Referendariat ist, weiß ich selbst. Sag mir lieber, wieso sich der Herr Referendar in unserem Büro einnistet, wenn er eigentlich bei der Staatsanwaltschaft arbeitet. Und wie kommt er auf die Idee, sich ausgerechnet an meinen Schreibtisch niederzulassen?«
    »Weil du einen Bewunderer hast«, erklärte ein Mann, der just in diesem Moment das Büro betrat. Er musste schon länger in der Tür gestanden und zugehört haben, und er war kein Geringerer als Maras und Schmitz’ Chef, ihr direkter Vorgesetzter, seines Zeichens Leiter des KK 21.
    Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Einen Bewunderer? Ich? Liest der Kerl keine Zeitung? Da wäre ihm das Bewundern aber gründlich vergangen.«
    Der Chef, sein Name war Wolf und sein Dienstgrad Erster Kriminalhauptkommissar (EKHK), ignorierte Maras Sarkasmus. »Erinnerst du dich noch an Herrn Oberstaatsanwalt Kunze?«, fragte er stattdessen.
    »Eisenschädel Kunze? Klar erinnere ich mich an den. Der Typ ist schätzungsweise hundert Jahre alt und trägt karierte Golfhosen. Wie könnte man so einen vergessen? Er war damals mit von der Partie, als wir draußen am Eifeltor das Koks sichergestellt haben.« Hinter der Bezeichnung Eifeltor verbarg sich der gleichnamige Umschlagbahnhof im Gewerbegebiet Nord-Ost, ein riesiges Areal, voll gestopft mit Frachtcontainern, Lastwagen und Kränen, auf dem täglich über 1000 Lkw-Chargen von der Straße auf die Schiene umgeladen wurden. Die Anlage war die größte ihrer Art in Europa.
    »Kunze ist ein sturer alter Mistkerl«, nahm sie den Gedanken wieder auf. »Der lässt sich von keinem reinreden und weiß immer haargenau, was läuft. Unausstehlich, aber fähig. Wenn alle Staatsanwälte so wären wie Eisenschädel Kunze …«
    »Sieht so aus«, fiel ihr EKHK Wolf ins Wort, »als ob du bei ihm genauso einen bleibenden Eindruck hinterlassen hast wie umgekehrt. Er nennt dich übrigens Die unverschämte Rockerbraut, die als Einzige weiß, wo’s langgeht . Oder etwas in der

Weitere Kostenlose Bücher