Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
Tippen nachkam.
    Als sie fertig war, stellte er Fragen, beispielsweise aus wie vielen Leuten die Putzkolonne bestand, was passierte, wenn jemand krank wurde, und ob es so etwas wie einen Vorarbeiter gab. Außerdem wollte er wissen, um wie viel Uhr die ersten Bankangestellten erschienen, welche Räume verschlossen waren, welche frei zugänglich und in welchen Räumen sie, Laura, für gewöhnlich zu tun hatte.
    Laura blieb keine Antwort schuldig, auch wenn sie sich insgeheim fragte, wie diese Antworten dabei helfen sollten, die Karlsbank auszurauben. Daran, dass die Verbrecher genau das beabsichtigten, hegte sie mittlerweile keinen Zweifel mehr, und wie es schien, wollten sie dort eindringen, indem sie sich als Putzkolonne ausgaben. Das versetzte sie in die Lage, vor dem offiziellen Geschäftsbeginn loszuschlagen.
    Doch was dann? Im Schalterraum gab es kein Geld und in den Verwaltungsbüros ebenfalls nicht. Und im Aufenthaltsraum des Personals, über den der Dressman sie so detailliert ausfragte, am allerwenigsten. Die Millionen lagen im Tresor, tief unten in den Eingeweiden des Gebäudes, hinter meterdickem Stahl, der mit Dutzenden von Sensoren, Fühlern und Lichtschranken gesichert war, die bereits einen Alarm auslösten, wenn man die Tür nur schief ansah.
    Laura wusste das, weil Herr Heintzel, der Stellvertretende Bankdirektor, sie einmal in den Keller mitgenommen hatte beziehungsweise in die Katakomben, wie er es nannte. Er mochte Laura und hatte erklärt, sie würde ihn an seine ältere Tochter erinnern, die auch studierte und nebenbei jobbte. Deshalb wollte er ihr eine Freude machen und den Tresorraum zeigen – von außen, versteht sich.
    Doch was gut gemeint war, hatte sich als unspektakulär herausgestellt, denn mehr als eine glatt verputzte Wand mit einer überbreiten Stahltür war dort unten nicht zu bestaunen, auch wenn Herr Heintzel geschwärmt hatte, dass sowohl die Tür als auch der Tresorraum selbst einem Bombenangriff standhalten würden.
    Folglich nützte es den Verbrechern nichts, sich in die Bank zu schleichen, wenn niemand da war, der die Tür für sie öffnete, woraus sich ergab, dass sie jemanden dazu zwingen mussten. Das wiederum lief auf einen klassischen Überfall hinaus, wie man ihn aus dem Kino kennt: Schwer bewaffnete Männer stürmen eine Bank und zwingen den Direktor zum Öffnen des Tresors. Aber warum dann vorher der ganze Zinnober mit der Putzkolonne? Das kam Laura reichlich mysteriös vor.
    Überdies, das wusste sie aus Herrn Heintzels begeisterten Schilderungen, ließ sich der Tresorraum nur mit Verzögerung öffnen, dass heißt, selbst wenn man die korrekte Zahlenkombination eingab, konnte es zwischen fünfzehn und dreißig Minuten dauern, bis die Tür aufging. Fünfzehn Minuten waren das Minimum, erinnerte sich Laura, die restliche Wartezeit konnte von niemandem vorhergesagt werden, da sie per Zufallsgenerator von einem Computer festgelegt wurde.
    »Es ist das gleiche Prinzip wie bei den Sicherheitsschlössern der kleinen Tresore oben im Schalterraum«, hatte Herr Heintzel erklärt, »in denen sich das sogenannte Handgeld befindet, also das Geld für die normale, alltägliche Kundschaft. Auch diese Safes lassen sich nur mit Verzögerung öffnen, wenngleich die Wartezeiten dort selbstverständlich viel kürzer sind als bei dem großen Tresor unten in den Katakomben. Das Ganze hat durchaus seinen Sinn, denn es verhindert einen gewaltsamen Blitzüberfall. Welcher Bankräuber will schon minutenlang mit vorgehaltener Waffe dastehen und darauf warten, dass endlich der Tresor aufgeht?« Er hatte gelacht. »Die moderne Technik hat auch ihr Gutes. Ich denke, die Zeiten der großen Banküberfälle sind vorbei.«
    Anscheinend nicht, dachte Laura, doch weitaus schlimmer war die Tatsache, dass sie da irgendwie hineingeraten war, in einen solchen Überfall. Das Ganze kam ihr umso irrealer vor, je intensiver sie drüber nachdachte.
    »Darf ich jetzt nach Hause gehen?«, entfuhr es ihr. »Ich habe Ihnen alles erzählt, was ich weiß.« Dieses Ansinnen war absurd, und sie wusste es.
    Entsprechend breit war Kippes Grinsen. »Das könnte dir so passen, mein Täubchen. Der vergnügliche Teil kommt doch erst noch.« Speichel glänzte auf seiner wulstigen Unterlippe.
    Der Gutaussehende packte seinen Laptop zusammen und bedeutete den Russen mit einem Wink, ihm zu folgen. Während der ganzen Vernehmung hatten sie keinen Mucks von sich gegeben, sondern waren offenbar nur zur Einschüchterung dabei gewesen.

Weitere Kostenlose Bücher