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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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geöffnet, doch es war nicht der Kerl mit der Augenklappe, der die Kammer betrat, sondern eine Gruppe, die Laura bereits kannte: die vier Entführer.
    Pjotr führte das Quartett an, gefolgt von dem zweiten Russen und diesem tätowierten Scheusal, das sich selbst Kippe nannte und grinste, als gäbe es keine Bosheit auf dieser Welt. Den Abschluss bildete der gut aussehende Mann, der Laura bereits bei ihrer ersten unheilvollen Begegnung wie ein männliches Model vorgekommen war und der rein äußerlich absolut nichts von einem Verbrecher hatte. Auch diesmal war er wieder tadellos rasiert und gekämmt, und sein Designer-Anzug bildete einen scharfen Kontrast zu Kippes nacktem Wanst, der lediglich von einer Lederweste verhüllt wurde und über einen Hosenbund quoll, den eine Gürtelschnalle in Form eines Totenkopfs zierte.
    Der Dressman hatte einen Laptop unter den Arm geklemmt, zudem zog er einen Stuhl hinter sich her. Diesen rückte er neben Lauras Pritsche zurecht. Langsam, fast bedächtig nahm er Platz, legte den Computer vor sich auf die Knie, klappte ihn auf und schaltete ihn ein. Seine Hände waren gepflegt, die Nägel sorgfältig manikürt.
    Derweil ließ sich Kippe, behaglich grunzend wie ein Warzenschwein in der Sonne, neben ihr auf dem Feldbett nieder, das mit schnalzenden Federn gegen die plötzliche Belastung protestierte.
    Sie rückte von dem Fettwanst ab, doch er rutschte ächzend hinter ihr her. Die Russen lehnten mit verschränkten Armen an der Wand und lachten. Laura wich noch weiter zurück, aber da schwang Kippe bereits das rechte Bein auf das Bett und legte einen Arm um sie. Halb im Sitzen, halb im Liegen zog er sie ganz nahe zu sich heran, bis ihr Kopf auf seiner Brust ruhte.
    Sie schrie entsetzt. Ihre Wange berührte seine Haut, und die war kalt, obwohl sie sich nass und verschwitzt anfühlte. »Lass mich in Ruhe!«
    Der Fettwanst dachte gar nicht daran, sondern strich ihr mit der freien Hand sanft, beinahe zärtlich die Haare aus dem Gesicht. Seine Fingernägel waren bis zum Bett abgekaut. Laura schrie erneut, die Russen feixten.
    »Schluss jetzt!«, herrschte der Dressman, nachdem der Computer hochgefahren war. Seine lässige Art ließ unschwer erkennen, dass er es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Er funkelte Kippe ärgerlich an. »Lass sie in Ruhe! Wenn wir mit ihr fertig sind, kannst du sie haben. Doch bis dahin reißt du dich gefälligst zusammen, kapiert? Wir haben keine Zeit für Spielchen.«
    Wenn wir mit ihr fertig sind, kannst du sie haben , wiederholte Laura in Gedanken. Ihr Verstand weigerte sich, die Bedeutung der Worte kannst du sie haben weiter zu analysieren.
    Kippe knurrte wie ein beleidigter Bullterrier und rückte von ihr ab. Der tätowierte und narbenbedeckte Schwabbelarm, den er um sie gelegt hatte, entließ sie aus der Umklammerung.
    »Erzähl mir etwas über deine Arbeit!«, hörte sie den Dressman unvermittelt sagen. Er war unzweifelhaft der Chef im Ring. Vor zwei Tagen, als er so schweigsam hinten im Lieferwagen gesessen hatte, wäre sie niemals auf die Idee gekommen, dass er der Anführer sein könnte.
    »Erzähl mir etwas über deine Arbeit!«, forderte er sie abermals auf. Seine Stimme war tief, und sein Tonfall verriet Härte. Laura spürte, dass er von den vier Anwesenden der Gefährlichste war, auch wenn seine kultivierte Erscheinung auf den ersten Blick etwas anderes vorgaukelte.
    »Meine Arbeit?«, wiederholte sie ungläubig. »Was für eine Arbeit? Meinen Sie mein Studium?« Sie leckte sich über die Lippen. »Hören Sie, hier muss eine Verwechslung vorliegen …«
    Der Dressman schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Und dieses Studium finanzierst du mit allerlei Nebenjobs, nicht wahr?«
    Sie nickte.
    »Nebenjobs«, murmelte er bedeutungsschwer. »Erzähl mir davon. Über deine Stelle bei …« Er schaute auf den Monitor des Laptops. »Bei der Gernot Garbrecht GmbH.«
    Laura war wie vor den Kopf gestoßen. »Wie bitte?«
    Hinter dem Namen Gernot Garbrecht GmbH, kurz 3G, verbarg sich eine Gebäudereinigungsfirma, deren Putzkolonnen zum größten Teil aus Hilfs- und Leiharbeitern, Langzeitarbeitslosen ohne vernünftige Perspektive sowie Studenten bestanden. Und aus osteuropäischen Schwarzarbeitern.
    »Du hast mich genau verstanden!«, stellte der gut aussehende Mann fest. Seine Stimme war fordernd. »Du putzt doch schon seit vielen Jahren für 3G, oder?«
    Laura nickte kläglich. Sie hatte keine Ahnung, wieso das für irgendjemanden von Interesse sein

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