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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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Schlüssel der jeweiligen Fahrzeuge nebst Papieren und Fahrtenbüchern.
    Sie tat so, als beobachte sie den Viehlaster, obwohl sie in Wirklichkeit fieberhaft nach dem Karteikasten mit der Beschriftung K-VS 1445 suchte.
    »Ein Problem?«, echote der Alte mit steiler Stirnfalte und beäugte Mara unfreundlich.
    Sie nickte, strich sich das Haar aus der Stirn. »Ein Problem, ja, so könnte man es nennen. Wissen Sie, mein Freund hat erst vor ein paar Wochen den Motorradführerschein gemacht, er hat also noch nicht allzu viel Fahrpraxis. Leider ist ihm vorgestern ein Missgeschick passiert, bei dem er einen Ihrer Lieferwagen beschädigt hat, einen weißen Sprinter, um genau zu sein.«
    »Weißer Sprinter?« Wieder bestand die einzige Antwort des Alten darin, ihre Worte zu wiederholen.
    Sie zog ein verknittertes Zettelchen aus der Hosentasche und las laut vor, was darauf geschrieben stand. »Weißer Sprinter, Kennzeichen K-VS 1445.« Kurze Pause. »Mein Versicherungsvertreter sagt, der Wagen sei auf Ihre Firma zugelassen, auf die Victor Smertin Schlachtbetriebe oHG.« Sie zuckte die Achseln. »Keine Angst, der Schaden ist nicht wirklich groß, Bodo ist nur mit der Fußraste an der Seite entlanggeschrammt, das kann man garantiert mit dem Lackstift ausbessern. Stimmt doch, Schatz, oder?«
    Von Frau Sturm Schatz genannt zu werden ließ ihn sofort beschämt den Kopf senken. Er stammelte etwas Unverständliches, besann sich jedoch dann auf eifriges Nicken. Aus den Augenwinkeln sah er, dass der Zettel in ihren Händen in Wirklichkeit eine Einkaufsliste war. Anstatt eines Kennzeichens stand dort: Joghurt, Lätta, Blumenerde, Orangensaft. Wichtig: Sternenkarte nicht vergessen!!! Er fragte sich, was eine Sternenkarte war – das Pendant zu einer Weltkarte? – und wozu Frau Sturm eine solche benötigte.
    »Er hätte nicht einfach wegfahren sollen«, setzte sie derweil ihre geschwätzige Litanei fort und legte ihm dabei erneut die Hand auf die Schulter. »Aber nehmen Sie es ihm nicht übel, schließlich hat er doch gerade erst den Führerschein gemacht, und da hat er es mit der Angst zu tun bekommen.«
    Die Hand zog sich zurück, und Mara bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. »Dabei weißt du ganz genau, dass du nicht einfach abhauen darfst, wenn du einen anderen Wagen anrempelst, das habe ich dir hundert Mal gesagt. Noch dazu, wenn du mit meinem Motorrad unterwegs bist. Was du da gemacht hast, ist glatte Fahrerflucht, du Ochse. Was denkst du, wäre passiert, wenn das einer mitgekriegt und die Bullen gerufen hätte? Dann wäre ich genauso dran gewesen wie du.«
    Sie unterbrach sich und schaffte es tatsächlich, rot zu werden. Wieder an den Alten gewandt, lächelte sie. »Wie auch immer, jetzt sind wir hier, um die Sache zu regeln. Klar, dass ich für den Schaden aufkomme, meine Versicherung wird das übernehmen, wie gesagt, ich habe schon mit meinem Vertreter gesprochen. Dazu brauche ich allerdings den Namen des Fahrers, die Anschrift Ihrer Versicherung und nach Möglichkeit einen Kostenvoranschlag Ihrer Autowerkstatt.«
    Die beiden Männer, der alte und der junge, taxierten erst die Frau in Leder und dann den komischen Vogel mit der Micky Maus, der, unglaublich, ihr Freund sein sollte.
    »Der da fährt Motorrad?«, brummte der Alte nach einer Weile und zeigte auf Lohmann. Er machte eine abfällige Handbewegung. »Ich wüsste nicht, dass einer unserer Fahrer in einen Unfall verwickelt war. Du?« Sein Kollege verneinte.
    »Wo soll das denn passiert sein?«
    »In der Lindenallee, am Dienstag, so gegen 14 Uhr 30«, antwortete Mara.
    Sie war sich nicht sicher, vermeinte jedoch, in den Gesichtern der Männer eine unterdrückte Gefühlsregung zu erkennen. Insbesondere der Alte schien für einen Sekundenbruchteil zusammenzuzucken, als er das Wort Lindenallee hörte.
    »Da fällt mir ein«, meldete sich Lohmann schüchtern zu Wort, »in dem Wagen saß zum Unfallzeitpunkt niemand. Der Fahrer wird deshalb von dem ganzen Schlamassel höchstwahrscheinlich überhaupt nichts mitbekommen haben. Hat wohl gerade Mittagspause gemacht und irgendwo etwas gegessen.« Er grinste blöde und fügte hinzu: »Vielleicht ein Eis, denn da stand ein Eiswagen in der Nähe.«
    Der Alte fasste Lohmann scharf ins Auge, dann sagte er zu seinem Kollegen etwas auf Russisch. Es entbrannte eine Unterhaltung, ebenfalls auf Russisch und in beträchtlicher Lautstärke, von der Mara natürlich kein einziges Wort verstand. Sie versuchte, sich anhand des Tonfalls

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