Sturms Jagd
durch einen Schlauch mit einer Plastikflasche verbunden war, die wiederum an einem Besenstiel hing. Der an die Wand gelehnte Besen war umgekippt und lag, nebst Schlauch und Flasche, auf dem Fußboden. Die Nadel war ebenfalls nicht mehr an ihrem Platz, sondern mit Gewalt aus der Vene gerissen worden. Ein wahrer Sturzbach erstaunlich dünnflüssigen Blutes rann warm über ihre Haut und tropfte auf das Linoleum.
Die Männer erholten sich von ihrer Überraschung und stampften auf die Geisel zu. Das Gesicht des Dressmans verriet unbändige Wut.
Auch Laura schüttelte ihre Lethargie ab. Sie kam wieder hoch und rannte auf den Flur, die rettende Tür vor Augen. Der Lulatsch verbaute ihr den Weg. Himmel, war der Kerl lang! Er streckte seine Arme nach ihr aus, griff jedoch ins Leere. Sie schlüpfte an ihm vorbei, fast mühelos, aber dann hatte sie den Dressman vor sich. Aus dem Einstichloch in ihrer Armbeuge sprudelte es unablässig und rann ihr über die Haut. Nur noch ein paar Schritte bis zur Tür.
Die Hände des Dressmans schossen auf ihren Hals zu, als wollte er sie erwürgen. Oder er beabsichtigte, ihr die Luft abzudrücken, um sie am Schreien zu hindern. Laura duckte sich, immer noch vorwärtsstrebend. Sie entging dem Würgegriff, irgendwie, ein Fingernagel schrammte über ihre Wange, und statt des Halses bekam der Dressman einen Zipfel ihres T-Shirts zu packen. Sofort zog er daran, Nähte ächzten.
Sie kämpfte. Nur noch drei Schritte. Durch den Türspalt sah sie ein Büro und einen auffällig gekleideten jungen Mann sowie eine langhaarige, gut aussehende Frau, die genau in ihre Richtung zu blicken schien. Laura streckte die Hand nach der Türklinke aus.
Abermals riss der Dressman an dem T-Shirt und verhinderte ihr Vorwärtskommen im allerletzten Moment. Schließlich schaffte er es sogar, ihren Arm zu packen und sie vollends von der Tür wegzuzerren. Sogleich war auch der Lulatsch wieder zur Stelle, doch er behinderte seinen Kumpan eher, als dass er ihm half, und die Kerle kamen sich gegenseitig ins Gehege. Schlussendlich gingen alle drei, Häscher sowie Opfer, in einem Knäuel aus Flüchen, rudernden Armen und strampelnden Beinen zu Boden.
Zum Glück landete Laura zuoberst, wenngleich sich die Männer immer noch zwischen ihr und der rettenden Tür befanden, die zu allem Überfluss just in diesem Moment von der anderen Seite zugezogen wurde.
Sie rappelte sich auf, wusste jedoch, dass es kein Durchkommen mehr gab, und deshalb wandte sie sich nach rechts und rannte den Flur hinunter, genau in die entgegengesetzte Richtung, in die Kippe und Pjotr vorhin verschwunden waren. Blut aus dem Einstichloch in ihrem Arm hinterließ eine deutliche Fährte, doch Gott sei Dank waren die Verbrecher vorerst damit beschäftigt, auf die Füße zu kommen und sich gegenseitig zu beschimpfen, anstatt der Spur zu folgen.
Ein frischer Luftzug wehte ihr entgegen, sie hörte ein Schwein quieken, und dieser Laut erinnerte sie daran, dass sie vor lauter Aufregung glatt vergessen hatte, um Hilfe zu rufen. Verdammt.
Aber jetzt: »Hilfe!«
Kapitel 19
Nebenan rumpelte es.
Mara hatte den Eindruck, dass sich jenseits der Tür etwas bewegte, und dann sah sie die Umrisse von Personen vorbeihuschen. Das Rumpeln wurde lauter. Sie spähte durch den Türspalt und versuchte, die Ursache des Krachs zu ergründen, doch bevor sie etwas erkennen konnte, erhob sich der Alte hektisch von seinem Stuhl und versperrte ihr die Sicht.
»Was ist da los?« Auch Lohmann hatte den Tumult bemerkt.
Der Alte winkte ab. »Nichts. Überhaupt nichts.« Wie beiläufig zog er die Tür ins Schloss. »Dahinter befindet sich nur das Schlachthaus, und dort wird gearbeitet. Vorhin ist ein Transporter mit Schweinen angekommen, wissen Sie?«
»Haben wir gesehen«, sagte Lohmann.
Der Russe lachte. »Die Viecher wittern, dass es ihnen an den Kragen geht. Da kann es schon mal passieren, dass die eine oder andere Sau ausreißt. Wird vermutlich gerade wieder eingefangen.« Er schlurfte zu seinem Schreibtisch zurück.
Mara registrierte die plötzliche Gesprächigkeit des Mannes. Sie fragte sich, wieso er sich die Mühe machte, die Tür zu schließen, wenn es dahinter nichts zu sehen gab außer ein paar panischen Schweinen. Der entfernte Krach nahm derweil sogar an Intensität zu, ein dumpfer Schlag war zu hören, gefolgt von einem verhaltenen Ruf. Mara konnte die Worte des Rufers nicht verstehen, doch irgendwie klang die Stimme panisch. Moment mal, das war doch eine
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