Sturms Jagd
abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt und eilte hinaus.
Kippe presste eine Verwünschung zwischen den geschlossenen Zähnen hervor. Feindselig starrte er dem Dressman nach, kam jedoch nach einem halbem Dutzend weiterer Flüche zu der Einsicht, sich nicht mit ihm anzulegen, sondern zu gehorchen. Hastig stopfte er sein Glied in die Hose zurück, dann wälzte er sich von der Pritsche. Zuvor gab er Laura einen speziellen Abschiedskuss, indem er ihr quer über das Gesicht leckte, von der Kinnspitze bis zum Haaransatz. Seine Zunge war triefnass. »Ich komme wieder, Süße, versprochen.«
Laura würgte. Du hast Glück, dass ich dir nicht dein dreckiges Teil abgebissen habe , dachte sie. Fünf Sekunden später, und es wäre so weit gewesen. Die Vorstellung war schockierend.
Er hatte ihr kaum den Rücken zugekehrt, als sie sich bereits mit dem T-Shirt das Gesicht abwischte. Dann richtete sie sich auf, und prompt wurde ihr wieder schwindelig. Behutsam setzte sie sich auf den Rand des Feldbettes und spähte zur halb offenen Tür. Dahinter lag ein schwach beleuchteter Flur, auf dem Hektik herrschte. Der Dressman war zu sehen und Kippe und Pjotr sowie ein anderer Mann, dem Laura bisher noch nicht begegnet war. Er war schlank, fast dürr, dafür jedoch so lang, dass er die anderen um mindestens einen Kopf überragte. Die Verbrecher debattierten im Flüsterton miteinander, es wurde wild gestikuliert, und dann bemerkte Laura, dass der Dressman und der lange Lulatsch durch den Spalt einer angelehnten Tür linsten, die wahrscheinlich in einen anderen Raum führte. Sofort wurde ihr klar, was das bedeutete: Hinter dieser Tür mussten sich die Polizisten aufhalten. Die Erkenntnis ließ sie innerlich jubilieren. Das war die Rettung!
Ihre Gedanken überschlugen sich, ihr Herz hämmerte gegen die Rippen, ein unbeschreibliches, fast hysterisches Glücksgefühl durchströmte sie. Ihr habt mich nicht kleingekriegt, ihr dämlichen Blödmänner! Innerlich lachte und weinte sie zugleich, dann holte sie tief Luft, füllte die Lungen, wollte nach Leibeskräften um Hilfe rufen.
Sie hielt inne.
Die Hochstimmung verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Nackte Panik trat an ihre Stelle. Laura zitterte. Was, wenn es ihr nicht gelang, die Polizisten auf sich aufmerksam zu machen? Was, wenn ihre Hilferufe ungehört blieben? Standen die Beamten gleich hinter der Tür, oder waren sie so weit entfernt, dass sie Laura womöglich gar nicht hörten? Und überhaupt, wer sagte eigentlich, dass die Tür nicht ins Freie führte und die vermeintlichen Retter just in diesem Moment in einen Streifenwagen stiegen und davonfuhren?
Es waren wirre Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten, nicht rational, sondern geboren aus Panik und aus der Angst, dass die Verbrecher über sie herfallen würden, sobald sie nur einen Laut von sich gab. Vielleicht waren sie sogar bewaffnet. Vielleicht würden sie Laura erschießen, sobald sie um Hilfe schrie.
Reiß dich zusammen! Kämpfe!
Auf dem Flur wurde immer noch in gedämpfter Lautstärke debattiert, niemand achtete auf sie. Kippe und Pjotr wollten einen Blick durch den Türspalt werfen, doch der Dressman erlaubte es ihnen nicht. Stattdessen scheuchte er sie fort und gab ihnen eine Reihe von Anweisungen mit auf den Weg. Sie verschwanden, wohin, konnte Laura nicht erkennen. Dressman und Lulatsch blieben allein zurück.
Laura wusste, dass sich keine günstigere Gelegenheit mehr ergeben würde. Am besten war es, in vollem Lauf auf die Tür zuzuhalten, um sich irgendwie durchzuquetschen. Hauptsache, die Gangster stoppten sie nicht, bevor sie die Polizisten erreicht hatte. Sie verdrängte das Bild eines davonfahrenden Streifenwagens. Los jetzt!
Noch immer waren die beiden Verbrecher damit beschäftigt, heimlich den Nebenraum zu beobachten. Laura war völlig in Vergessenheit geraten.
Sie sprang auf, rannte – und brüllte wie am Spieß! Doch es war kein Hilferuf, sondern ein Schmerzensschrei. Ihr rechter Arm glühte, tausend Feuernadeln schossen durch die Adern. Hinter ihr polterte etwas, vor ihr wirbelten die Männer herum und starrten in ihre Richtung. Das Feuer in ihrem Arm wurde wütender, durchzuckte die gesamte rechte Körperhälfte, stoppte ihren Spurt bereits nach zwei Schritten. Sie ging in die Knie und spürte ein Gewicht am Arm. Dann, kaum einen Herzschlag später, war der Schmerz bereits wieder verflogen.
Endlich begriff sie, dass sie losgerannt war, ohne zuvor die Infusionsnadel zu entfernen, die
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