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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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gleich neben ihrem Arbeitsplatz eine verzweifelte Frau gefangen hielt.
    Einer der Metzger war inzwischen auf diese verzweifelte Frau aufmerksam geworden und kam zu ihr herüber. »Nanu?«, rief er heiser über den Krach der Maschinen hinweg. »Verlaufen?« Sein Atem kam ihm als kleine Wolke aus dem Mund.
    Laura wollte etwas sagen, brachte jedoch keinen Ton heraus.
    Der Metzger grinste sie bartstoppelig an, sein gestreifter Blouson war über und über mit verkrusteten Flecken besudelt. Die Ärmel hatte er trotz der klammen Kälte hochgekrempelt, was eine ganze Reihe hässlicher Tätowierungen zum Vorschein brachte. Das Schlachterbeil in seiner Rechten ließ Laura unwillkürlich einen Schritt zurückweichen.
    Der Typ kicherte. »Aber, aber, junge Frau, was ist denn los? Warum so schreckhaft?«
    Sie zog sich noch weiter zurück, doch der Kerl machte zwei schnelle Schritte und versuchte, sie mit der freien Hand zu berühren.
    Sie schluckte. Auf einmal war sie sich nicht mehr sicher, ob die Männer, die hier arbeiteten, nicht doch mit den Entführern unter einer Decke steckten.
    Das Geratter der Laufbänder, das Zischen der Dampfstrahler und das Surren der Kühlaggregate verschmolzen zu einem wahren Crescendo. Laura hielt sich die Ohren zu, was den Mann zu einem mitfühlenden Stirnrunzeln veranlasste. Er langte nach ihrem Handgelenk, doch sie machte einen Satz nach hinten und rannte davon.
    »Übergeschnappt oder was?«, schrie er ihr hinterher.
    Sie setzte ihre Flucht fort. Spätestens jetzt war ihr klar, dass sie niemandem trauen konnte, der sich in diesem Gebäudekomplex herumtrieb. Sie musste hier raus und sich irgendwo verstecken. Was für eine Erkenntnis! Wenn sie doch bloß einen Ausgang finden würde. Herr im Himmel, das konnte doch nicht so schwer sein!
    Der Korridor kreuzte einen anderen, und während sich von rechts Kippe und Pjotr Petrow näherten, bogen aus der anderen Richtung zwei junge Männer um die Ecke, von denen jeder mit einem Kistenstapel bepackt war. Laura rannte buchstäblich in die beiden hinein, die Kisten polterten geräuschvoll zu Boden.
    »Sachte!«, beschwerte sich einer der Kistenträger. »Hast du denn keine Augen im Kopf?«
    Chaos.
    Rechts von Laura rief ein sichtlich überraschter Petrow: »Da ist sie! Dermo , bleib stehen!«
    Natürlich dachte sie nicht daran, sondern strampelte sich frei, stieg über die Kisten hinweg, rannte um ihr Leben. Am Ende des Korridors war Licht zu sehen, Tageslicht, was bedeutete, dass sie einen Ausgang gefunden hatte.
    »Hilfe!«, brüllte sie wieder, so laut sie konnte.
    Ein Blick über die Schulter zeigte ihr das tätowierte Ungeheuer und seinen russischen Kumpan, die ihr auf den Fersen waren. Kippe stolperte über einen Putzeimer und schlug der Länge nach hin, doch der Russe ließ sich nicht abschütteln.
    Endlich erreichte sie die offen stehende Tür und machte einen verzweifelten Satz ins Freie. Gleißender Sonnenschein blendete sie für einen Sekundenbruchteil. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie, sich zu orientieren.
    Wie es schien, war sie auf der Rückseite des Gebäudes herausgekommen, auf einem weitläufigen asphaltierten Platz, über dem die Hitze flimmerte. Sie nahm an, dass dieser Platz als Wendemöglichkeit für die überlangen Viehtransporter diente oder vielleicht als Rasthof für die Fahrer, bevor sie sich auf den Rückweg machten. Doch ausgerechnet jetzt war keine Menschenseele zu sehen. Jenseits der Asphaltfläche schloss sich eine Wiese an, die in jede Richtung mehrere hundert Meter reichte und irgendwo in weiter Ferne von einem Zaun begrenzt wurde. Dahinter wiederum lagen Äcker. Laura hatte den Eindruck, dass eine Kuh zu ihr herüberglotzte. Sie sah keine Möglichkeit, sich irgendwo zu verstecken. Einen ungünstigeren Ort für ihre Flucht hätte sie sich kaum aussuchen können.
    Da tauchte Pjotrs Silhouette in der Tür auf.
    Was jetzt? Laura wusste, dass sie ein Sprintduell gegen den Russen nicht gewinnen konnte. Er würde sie einholen, lange bevor sie die Vorderseite des Gebäudes erreichte, und wenn sie versuchte, sich über den Zaun ins Niemandsland zu flüchten, hatte sie erst recht keine Chance, da dieser Fluchtweg flach war und damit überschaubar wie der sprichwörtliche Präsentierteller.
    In ihrer Verzweiflung hielt sie auf den einzigen Ort zu, der Rettung versprach, und das war ein baufällig wirkender Ziegelbau, annähernd halb so groß wie das Hauptgebäude und von diesem rund zwanzig Meter entfernt, etwas abseits

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