Sturms Jagd
öffnete eine weitere Tür. Wieder tat sich ein endloser Gang vor ihr auf. Nicht allzu weit voraus wurde der zornige Ruf noch deutlicher.
»Bleib endlich stehen, du blöde Sau!« Jemand keuchte in allergrößter Anstrengung, lautstarkes Gepolter erklang.
»Hier ist wieder Blut auf dem Fußboden«, schnaufte Lohmann.
Das stimmte, Mara hatte die blassroten Kleckse ebenfalls entdeckt. Kleckse? Nein, Pfützen waren das, regelrechte Lachen. Allmächtiger, was hatten die Kerle mit der armen Laura angestellt?
Der Flur öffnete sich zu einem weitläufigen, vom Boden bis zur Decke gefliesten Raum. Durch ein breites Tor in der gegenüberliegenden Wand flutete gleißende Helligkeit herein. Mara kniff die Augen zusammen. Vor sich sah sie nichts als Schatten und die Umrisse von zwei Gestalten, die versuchten, eine dritte einzufangen, welche auf allen vieren über die Fliesen kroch.
»Hab ich dich endlich, du blödes Vieh!«, triumphierte einer der Jäger. Das Knistern eines Elektroschockers war zu hören, gefolgt von einem herzerweichenden Quieken.
»Keine Bewegung!«, brüllte Mara und brachte ihre Waffe in Anschlag. »Schluss damit!«
Noch einmal das Quieken, dann sank die verfolgte Gestalt reglos zu Boden. Auch die Häscher erstarrten augenblicklich zu Salzsäulen und blickten schockiert in die Mündungen der beiden Pistolen, die plötzlich auf sie gerichtet waren.
Allmählich gewöhnten sich Maras Augen an die Lichtflut, die Schattenrisse nahmen Gestalt an. Auf den Fliesen lag ein zuckendes Schwein, das stark blutete. Zwei Metzger mit Elektroschockern standen daneben. In ihren Gesichtern spiegelte sich nackte Angst.
»Ist durchgedreht, das Vieh«, erklärte der eine, während er wie hypnotisiert auf die Waffen starrte.
»Vollkommen durchgedreht«, pflichtete ihm sein Kollege bei. »Was wollt ihr von uns? Ist das etwa ein … ein Überfall?« Er kicherte dümmlich.
Für einige Sekunden herrschte betretenes Schweigen. Mara fluchte innerlich. Sie war einem Hirngespinst nachgelaufen, noch dazu mit gezogener Artillerie. Herrgott, war das peinlich! Was sie für Hilferufe gehalten hatte, entpuppte sich nun als das verzweifelte Quieken eines verletzten Schweins, und auch für die blutige Fährte gab es eine völlig harmlose Erklärung. Verdammt, dabei hatten die Schreie so menschlich geklungen.
Sie senkte die Pistole. »Halleluja«, flüsterte sie Lohmann zu, »jetzt stehen wir da wie zwei komplette Vollidioten. Die Knarre runter, Junior!«
Endlich fand sie zu ihrer üblichen Kaltschnäuzigkeit zurück. »Überfall?«, sagte sie mit fester Stimme. »Gute Güte, nein. Im Gegenteil, wir sind vom Werkschutz. Man hat uns gerufen, weil sich angeblich zwei Fremde im Gebäude herumtreiben, möglicherweise Einbrecher, die dabei sind, die Büros auszukundschaften. Mit den ganzen Computern und all dem modernen Zeug kommt da ja eine ziemliche Menge an Wert zusammen.« Sie lächelte den Metzgern zu und ließ die Pistole im Knöchelholster verschwinden. »Aber hier scheint ja alles in bester Ordnung zu sein. Ist euch etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Sind euch diese Typen vielleicht sogar über den Weg gelaufen?«
Das war natürlich nicht der Fall.
Mara nickte. »Gut, dann wollen wir uns mal wieder an die Arbeit machen.« Sie spazierte geradewegs durch das offene Tor ins Freie. »Sollte euch doch noch etwas komisch vorkommen, könnt ihr uns jederzeit anrufen. Die Nummer des Werkschutzes kennt ihr ja. Bis dann.«
Die Metzger entspannten sich und schluckten den mit inbrünstiger Selbstverständlichkeit vorgebrachten Unsinn, obwohl sie bis heute nicht die leiseste Ahnung gehabt hatten, dass die Firma, in der sie arbeiteten, von einem Sicherheitsunternehmen bewacht wurde. Zumindest nicht von einem, dessen Wachpersonal mit Pistolen bewaffnet war.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Lohmann, nachdem sie sich hinter einen Container verdrückt hatten. Einerseits war er enttäuscht, dass die bewaffnete Erstürmung des Gebäudes ein derart klägliches Ende gefunden hatte, andererseits war er wieder einmal beeindruckt von Frau Sturms Einfallsreichtum. Irgendwie hatte sie immer die passende Masche parat, um andere einzulullen. Allerdings schien es damit vorbei zu sein, da sie sich soeben anschickte, das Feld zu räumen.
»Wie es aussieht«, zog sie ein unerfreuliches Resümee, »kommen wir hier nicht weiter. Lass uns verschwinden und …«
Lohmann ereiferte sich. »Was reden Sie denn da? Wieso verschwinden? Wir sind ganz dicht dran, die
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