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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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Kein Wunder, denn sein Auto war ihm heilig. Dementsprechend wurde es täglich poliert und sogar zweimal am Tag von innen und außen gereinigt. Und wehe, er fand ein Staubkorn auf den elfenbeinfarbenen Armaturen oder einen Fingerabdruck auf dem Lack.
    Doktor Stalin wich hastig zurück, als ihn sein Freund fast über den Haufen rannte und erneut wie ein Besessener gegen die Fensterscheibe trommelte. »Hat sich einer das Kennzeichen des Motorrades gemerkt?«, brüllte er. Sein Kopf ruckte hin und her. »Ich will die verdammte Nummer wissen, damit ich das Miststück fertigmachen kann.«
    Wieder stürmte er zum Schreibtisch, doch diesmal griff er nicht zum Telefon, sondern riss eine Schublade auf, wobei der Griff abbrach. Er nahm keine Notiz davon und pfefferte ihn in eine Ecke. Im nächsten Moment hielt er eine Pistole in der Hand. »Na warte, das wird dir noch leidtun! Dir werd ich’s zeigen!«
    Er suchte nach einer Möglichkeit, das Fenster zu öffnen, doch da war keine. Hastig trat er einen Schritt zurück, stellte sich breitbeinig hin und richtete die Pistole gegen die Scheibe, wobei er über den Lauf der Waffe peilte und in Richtung Motorrad zielte, genau auf den Rücken des Milchbubis. Das wirkte professionell, und selbst ein Laie hätte sofort erkannt, dass er mit einer Faustfeuerwaffe umgehen konnte.
    »Ich werde die beiden Bullen vom Bock pusten!«
    Der Doktor wagte es, Smertins Arm nach unten zu drücken, kurz bevor er in seiner Raserei den Abzug betätigen konnte. »Victor!«, beschwor er ihn. » Towarisch! «
    Smertin setzte die Waffe als Schlaginstrument ein und brach seinem Towarisch die Nase. Dann richtete er sie wieder auf das Motorrad, das sich mittlerweile rasch entfernte, doch erneut wurde er in letzter Sekunde am Schuss gehindert, da sich der Narbige genau vor der Mündung aufbaute.
    »Weg mit dir!« Smertin machte einen Schritt zur Seite, um sich freie Schussbahn zu schaffen, doch der Narbige folgte der Bewegung.
    »Weg da, hab ich gesagt!«
    Der Narbige blieb, wo er war. »Wir sind hier nicht im Wilden Westen. Du kannst nicht am helllichten Tag auf Polizisten schießen.«
    Smertin drückte ab.
    Fünfzehn Mal knallte es so laut, dass alle Anwesenden zusammenzuckten, weil ihnen der Krach in die Trommelfelle stach. Rauch war nicht zu sehen, doch der Gestank verbrannten Pulvers reizte augenblicklich zum Husten.
    Endlich war die Kanonade vorbei, Smertin ließ die leer geschossene Waffe sinken.
    Die Klimaanlage surrte.
    Der Narbige war unversehrt, denn sein Widersacher hatte nicht ihn aufs Korn genommen, sondern seine Wut im letzten Moment in eine andere Richtung gelenkt und an dem Schreibtischsessel abreagiert, der jetzt aussah wie vom Laster überrollt. Lederfetzen, Schaumstoffflocken und messingfarbene Patronenhülsen verteilten sich überall auf der Tischplatte und auf dem Fußboden.
    »Warum hat sich keiner das verdammte Nummernschild gemerkt?«, wütete Smertin.
    Doktor Stalin hielt sich ein Taschentuch vor die blutende Nase, der Narbige lächelte sardonisch. »Hab ich doch«, sagte er lapidar.
    »Wie lautet es? Ich will es wissen! Sofort!«
    »Ja, sag es uns!«, forderte Stalin, der bemerkenswert schnell wieder zur Tagesordnung überging. »Wir müssen herausfinden, wer diese Frau ist und was sie über uns weiß. Bei deinen Verbindungen dürfte es nicht schwer sein …«
    Der Narbige grinste. » Meine Verbindungen, ganz recht. Und genau deshalb denke ich, dass ihr das Nummernschild gar nicht kennen müsst. Reicht, wenn ich es gesehen habe.«
    Smertin wollte abermals aufbrausen, doch der Narbige winkte ab.
    »Keine Angst, lieber Victor.« Der Spott in seiner Stimme war unüberhörbar. »Wir lassen uns doch von einem Weib keine Angst einjagen, hab ich recht, Sukin Sin ?« Sein Grinsen verschwand schlagartig. »Die Frau wird uns nicht in die Quere kommen, dafür sorge ich.«
    Das war eine glatte Lüge. In Wahrheit hatte er keine Ahnung, was er tun sollte, denn die Polizistin mit dem heißen Motorrad hatte sich noch nie etwas vorschreiben lassen. Das wusste er nur zu gut, da er sie kannte. Und wie er sie kannte. Verdammt, wie kam diese Plage von einem Weibsbild überhaupt hierher? Eigentlich hätte sie in diesem Augenblick in Frankfurt sein sollen, genau wie er. Dann hätten sie gemeinsam im Sheraton gesessen, und er hätte dem Ami seinen besten Cage-Fighter Serkan präsentiert, um ihm anschließend die Rechte an seinen Kämpfen zu verkaufen. Und sie hätte keine Gelegenheit gehabt, hier

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